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10.06.2021
Museum

„Abstieg ist ein bisschen wie sterben“

1996 – 2001 – 2004 – 2011. Gleich drei der vier Abstiege der Frankfurter Eintracht feiern just in diesem Jahr ein mehr oder weniger rundes Jubiläum. Teil eins der Serie.

Vor 25, 20 und vor zehn Jahren musste die Eintracht den bitteren Gang in die Zweitklassigkeit antreten. Zeit also, um sich den tränenreichsten Momenten der jüngeren Vereinsgeschichte zu widmen. Und da die Eintracht auch 2021/22 in einem europäischem Wettbewerb vertreten sein wird, fällt die Erinnerung nicht ganz so schwer – auch wenn längst noch nicht alle Wunden vernarbt sind. Sämtliche Vorgänge zu beleuchten, die zu den jeweiligen Abstiegen führten, dürfte Bücher füllen, die vermutlich wie Blei in den Regalen verharren würden. Also belassen wir es bei einigen Streiflichtern. Glauben Sie uns, es fällt auch so schon schwer genug. Wir starten mit Teil eins unserer kleinen, makabren Serie: Dem Abstieg 1996.

Der Abstieg 1996

Für ältere Fansemester galt die Eintracht eigentlich als unabsteigbar. Mit Gründung der Victoria im Jahr 1899 spielte sie bis 1996 in der jeweils höchstmöglichen Spielklasse. Und als es wirklich eng wurde wie 1971, 1984 oder 1989, zog sie sich wie selbstverständlich am eigenen Schopf aus dem Sumpf. War es 1971 ein Auswärtssieg beim OFC am vorletzten Spieltag mit Nickels erstem Tor des Monats eines Adlerträgers, der die Eintracht in der Liga hielt, so dominierte sie 1984 im ersten Relegationsspiel in Duisburg mit 5:0 und beseitigte gerade noch rechtzeitig alle Zweifel am Klassenerhalt. Das 1:1 im Rückspiel geriet zum Schaulaufen. Enger wurde es 1989. In zwei Relegationsspielen wurde der 1. FC Saarbrücken, in dessen Reihen der junge Anthony Yeboah für Furore sorgte, niedergerungen. Aber am Ende war klar: Eintracht Frankfurt bleibt erstklassig. Übrigens endete bekanntlich auch die dritte Relegation zu Eintrachts Gunsten, 2016 gegen Nürnberg.

In Folge erlebte die Eintracht einen ungeahnten Höhenflug, verzauberte die Fans mit Fußball 2000 und kratzte 1992 am Titel. Doch trotz aller fußballerischen Qualitäten der frühen 1990er Jahre gelang es weder Jörg Berger, noch Dragoslav Stepanovic noch Klaus Toppmöller eine verschworene Einheit zu formen. Dies sollte mit der Verpflichtung von Jupp Heynckes anders werden – und es wurde anders, jedoch ganz anders als gedacht. Zuvor schon hatte der langjährige Torhüter Uli Stein die Eintracht verlassen müssen, mit ihm ging Trainer Klaus Toppmöller. Auch Uwe Bein verließ mehr oder weniger freiwillig die SGE in Richtung Japan. Wenige Monate später waren auch Yeboah und Gaudino nach einem Disput mit Jupp Heynckes Geschichte. Dennoch landete die Eintracht 1994/1995 noch auf dem neunten Platz. Für die letzten Spiele stand Vereinslegende Karl-Heinz Körbel als verantwortlicher Trainer an der Seitenlinie. Mit ihm ging die Eintracht auch in die Saison 1995/96, in der erstmals die Drei-Punkte-Regel zur Anwendung kam. Dem Aus im UI-Cup durch ein 0:3 gegen Girondins Bordeaux (in deren Reihen immerhin Dugarry, Lizarazu und Zidane standen) folgte eine passable Hinrunde, die durch einen 4:1-Sieg gegen die Bayern trotz Unterzahl nach einer Roten Karte gegen Ivica Mornar gekrönt wurde. Das 1:5 gegen den HSV am letzten Spieltag der Hinserie verwies auf das Kommende, allerdings nur für den, der ganz genau hinsah. Selbst die „Fan geht vor“ schrieb in der 40. Ausgabe im Dezember 1995 noch: „ (so) … kann man unseren Verein weder zu den Titelaspiranten noch zu den Abstiegskandidaten zählen“.

Der Beginn der Rückrunde verlief zwar nicht verheißungsvoll, dennoch punktete die Eintracht. Einem Remis beim KSC folgte ein Sieg gegen Bayer Uerdingen. Zu diesem Zeitpunkt trennten die Eintracht sechs Punkte vom Abstieg. Eine trügerische Sicherheit. In Folge erspielte sich die Eintracht nur noch einen einzigen Sieg. Fünf Unentschieden standen neun Niederlagen gegenüber. Exemplarisch für den Niedergang stand dabei die Partie gegen Leverkusen. Ein Spiel mit wenig Höhepunkten – sieht man einmal davon ab, dass Michael Anicic in der 17. Minute mit einem der seltenen Elfmeter an Dirk Heinen scheiterte – plätscherte seinem Ende entgegen. Und als alles schon mit einem torlosen Unentschieden rechnete, wurde Matze Becker in der 89. Minute von Holger Fach im Strafraum gelegt. Erneut ertönte ein Pfiff und Thomas Doll verwandelte den fälligen Strafstoß zum 1:0 für die Eintracht. Der Großteil der 19.500 Anwesenden fiel sich in die Arme – um nur Sekunden später mit ansehen zu müssen, wie Fach, der eben noch den Strafstoß verursacht hatte, zum 1:1-Ausgleich traf. Es war ein Stich ins Herz der Frankfurter Eintracht, von dem sie sich nicht mehr erholte. Trainer der Gäste war übrigens der einstige Eintracht-Coach Erich Ribbeck.

Nach dem folgenden 0:6 in Dortmund war klar, in welche Richtung es gehen würde. Und wer in den folgenden drei Heimspielen auch nur zehn Minuten zu spät kam, erlebte die Eintracht stets im Rückstand. Das 0:2 gegen Borussia Mönchengladbach besiegelte das Aus von Trainer Körbel. Dabei half ihm auch nicht sein treuherziges Statement: „Den größten Fehler, den wir jetzt machen können, wäre, die Schuld beim Trainer zu suchen.“ Mit Stepi kehrte ein alter Bekannter an die Außenlinie zurück. Doch auch er konnte den Abstieg nicht verhindern, der nach einem desaströsen 0:3 gegen Schalke 04 am 32. Spieltag bei sechs Punkten und 16 Toren Rückstand praktisch feststand. Erstmals in der Vereinsgeschichte war Eintracht Frankfurt nur noch zweitklassig. Mit ihr stieg auch ein zweites Gründungsmitglied der Bundesliga ab, der 1. FC Kaiserslautern, der sich in jener Saison immerhin noch den DFB-Pokal sichern konnte – und zwei Jahre später Deutscher Meister wurde. Das vorerst letzte Heimspiel in Liga eins wurde mit 1:4 gegen den HSV verloren, sogar einige Fans der Offenbacher Kickers wohnten dem Ereignis bei und sicherten der klammen Eintracht wenigstens noch ein paar Mark. Die Eintrachtfans aber zeigten sich trotzig, wie ein Leserbrief von Daniel an die „Fan geht vor“ zeigt: „We love you Frankfurt, we do. Hunderte standen auf, die Hand auf‘s Herz und den Schmerz hinausgeschrien – ohne Unterbrechung. So verabschiedet sich ein Traditionsverein aus der Bundesliga. Danke Fans, dass ich dies miterleben durfte“. Wenige Wochen später wurde Torhüter Andreas Köpke mit der Nationalmannschaft Europameister.

So begann erstmalig das Abenteuer Zweite Liga. Zum ersten Heimspiel gegen Zwickau hatte die Eintracht nicht mit so vielen Zuschauern gerechnet und zu wenige Eintrittskarten an die Kassenhäuschen verteilt, für etliche Fans verzögerte sich der Einlass erheblich. Doch dies sollte für die kommenden Jahre nur eines der geringsten Probleme darstellen. Zunächst rutschte die SGE  auch in der Zweiten Liga in den Tabellenkeller, berappelte sich aber nach dem Trainerwechsel von Stepi zu Horst Ehrmantraut und kehrte zwei Jahre nach dem Abstieg wieder in die Bundesliga zurück. Sowohl 1999 als auch 2000 sicherte sich der Klub erst am letzten Spieltag den Klassenerhalt. In diese Zeit fiel sowohl die Ausgliederung der Profiabteilung in die Eintracht Frankfurt Fußball AG als auch die unmittelbar damit zusammenhängende Gründung der Fanabteilung, derweil Peter Fischer das Amt des Präsidenten übernahm.

Und nun freuen Sie sich auf Teil 2 unserer Abstiegstrilogie: Das Jahr 2001! Demnächst hier und in Farbe!

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