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02.11.2015
Traditionsmannschaft

„Wir sind immer für ein Stück Geschichte gut“

Christoph Preuß erfreut sich auch fünf Jahre nach seinem Karriereende großer Beliebtheit unter Eintracht-Fans. Als gebürtiger Hesse kam er 2000 über die Jugend in die erste Mannschaft, etablierte sich zu einem Leistungsträger und ließ mehr als einmal seine Gesundheit für die Eintracht auf dem Platz.

In der abgelaufenen Spielrunde der Traditionsmannschaft lief der 34-Jährige zur großen Freude von Publikum und Mitspielern wieder für die Adler auf. Im Interview spricht er über den fortwährenden Ehrgeiz, gute Ratschläge von Uli Stielike und natürlich sein Traumtor gegen den FC Bayern München.

Christoph, 2010 musstest du deine Karriere aufgrund eines Knorpelschadens im Knie vorzeitig beenden. Es hieß, Laufsport sei für dich nicht mehr drin. Nun bist du in diesem Sommer aber zweimal mit der Traditionsmannschaft aufgelaufen. Wie ist es dazu gekommen?

Das waren zwei Herzensangelegenheiten. Zunächst kam das Spiel in meiner Geburtsstadt Gießen. Als ich von verschiedenen Seiten gefragt wurde, ob ich dabei wäre, dachte ich: Für ein paar Minuten wird es sicher noch reichen. Das zweite Spiel fand im Gedenken an einen jungen Fußballer statt, der im Sommer im Trainingslager verstorben war. Ich habe natürlich aufgepasst, dass dem Knie da nichts passiert und die Schmerzen, die danach entstanden, vergisst man für den guten Zweck gerne mal.

Wie muss man sich das vorstellen mit deinem Knie, wie reagiert dein Körper auf Belastung?

Wenn ich mein Knie täglich belasten würde, würde sich in kürzester Zeit ein Knochenödem bilden, das Knie schmerzen und unbeweglich werden. Für den Alltag habe ich die Sache im Griff, mache auch regelmäßig meine Übungen, um das Ganze mit der Muskulatur etwas abzufangen. Und wenn dann halt mal sowas ansteht wie die zwei Spiele, dann beißt man eben auf die Zähne. Wenn man eines als Profi gelernt hat, dann das. Wenn das Knie dann zwei drei Tage ein wenig mehr schmerzt als sonst, steckt man das weg.

Auf regelmäßige Einsätze in der Traditionsmannschaft darf man also nicht hoffen?

Vielleicht ergibt sich der eine oder andere Einsatz mal, ich will aber mein Glück auch nicht herausfordern. Ich bin mit meiner Gesundheit im Augenblick sehr zufrieden – wir werden sehen, was passiert.

Du hattest mit dem aktiven Fußball abgeschlossen, haben die Einsätze mit der Tradi das Feuer nochmal aufflammen lassen?

Klar, das ist bei den ehemaligen Profis immer so, ob sie nun Binz, Skela oder Nikolov heißen: Der Ehrgeiz ist immer da und wenn man dann auf dem Platz steht und seinen Verein mit der Traditionsmannschaft repräsentiert, dann will man seinen Teil zu einem tollen Spiel beitragen und gewinnen.

Ganz wie zu deiner aktiven Zeit. Du kamst als Eigengewächs aus der Jugend in die erste  Mannschaft der Eintracht und hast hier, nach zwei Zwischenstationen in Leverkusen und Bochum auch deine Karriere beendet. Mit welchen Gefühlen blickst du auf deine Laufbahn?

Als Hesse bei einem hessischen Bundesligisten die Karriere zu starten war natürlich etwas ganz besonderes. Ich hatte immer einen guten Draht in die Fanszene. Das hat einen durchweg mitgetragen und begleitet. Nach dem Abstieg 2002 und einer Saison in der zweiten Liga wurde ich dann nach Leverkusen verkauft, weil wir das Geld für die Lizenz brauchten. Nach einem Jahr mit Höhen und Tiefen zwischen Champions League und Verletzungen bin ich auf Leihe hierher zurückgekehrt, musste dann wieder nach Leverkusen und bin dort, weil es zwischen dem Trainer Klaus Augenthaler und mir nicht gepasst hat, nach Bochum weitertransferiert worden, im Tausch mit Paul Freier.

Dort wurdest du aber auch nicht glücklich.

Ich habe relativ schnell gemerkt, dass es einfach vorne und hinten nicht gepasst hat. Ich habe mich nicht wohlgefühlt und die Sehnsucht nach Frankfurt war zu groß. Hier hatte ich immer das Gefühl alles abrufen zu können und dass alles passt. 2005 bin ich zurückgekommen und habe die letzten Jahre bis 2010 hier gespielt. Es war von Spiel zu Spiel etwas ganz besonderes hier einzulaufen, dieses Gänsehautgefühl, diese Stimmung, die einen getragen hat, und natürlich die schönen Momente, die man erlebt hat.

Diese letzte Etappe bei der Eintracht fiel in eine Zeit, in der die SGE unter Friedhelm Funkel nach einigen schwierigen Jahren wieder begann, in der Bundesliga Fuß zu fassen. Welche Erinnerungen hast du an diese Zeit?

Solide ist das Schlagwort für die Jahre unter Funkel. Er hat Jahr für Jahr eine Mannschaft geformt, die versucht hat sich in der ersten Liga zu etablieren, und ich denke, das ist uns auch gelungen. Wir hatten immer eine gute Chemie im Team, haben privat auch viel zusammen unternommen und das hat sich auf dem Platz auch wiedergespiegelt. Für oben hat es zwar nicht gereicht, da hat uns vielleicht der eine oder andere Spieler gefehlt. Alex Meier war damals ja auch noch nicht so weit wie heute (lacht). Aber wir durften damals schon über das Erreichen des Pokalendspiels 2006 internationale Luft schnuppern.

Du musstest in dieser Zeit auch Verletzungen unterschiedlichster Art wegstecken: Vom Meniskus  über das Nasenbein bis hin zum Knorpelschaden war alles dabei. Eine besonders haarsträubende Blessur hast du dir 2007 im Spiel gegen Energie Cottbus zugezogen: Der Anblick deiner Risswunde im Oberschenkel hat manchem den Magen umgedreht. Hast du in der Situation überhaupt bemerkt was passiert war?

Ich habe einen Druck auf den Oberschenkel gespürt. Eine Flanke kam in den Strafraum, Oka war rausgekommen, wir wollten beide klären und sind zusammengeprallt. Im ersten Augenblick dachte ich an einen Pferdekuss. Ich lag mit Oka am Boden und hab mir immer noch nichts weiter gedacht. Als wir dann die Beine auseinandergezogen haben, sah ich den tiefen Riss und in dem Moment ist auch noch die Faszie aufgeplatzt. Das sah natürlich nicht schön aus. Wenn ich aber zurückblicke, hätte ich mir lieber auch noch den anderen Oberschenkel aufgerissen anstelle der schweren Knieverletzung. Nach dieser Verletzung stand ich schon drei Wochen später wieder gegen Bremen auf dem Platz und habe meinen Teil zum Klassenerhalt beigetragen.

Der heutige Gegner der Eintracht heißt mal wieder Bayern München. Du hast einige gute Spiele gegen den Rekordmeister gemacht, zwei stechen aber besonders hervor: Gleich bei deinem ersten Einsatz hast du einen Auswärtssieg in München erlebt, den dritten der Eintracht überhaupt und den letzten bis Dato…

Das war etwas ganz Besonderes, mein erstes Spiel von Anfang an. Ich habe 60 Minuten gespielt, für mich kam dann Uwe Bindewald, der das 2:1 vorbereitet hat. Effenberg, Elber, Sergio… das war eine Riesentruppe gegen die wir da gespielt haben. Die Eintracht hatte fast 25 Jahre lang nicht mehr dort gewonnen. Und dann holen wir diese drei Punkte in München – das war einfach unglaublich. Nicht nur für mich, sondern für alle.

Am 17.03.2007 ist dir dann ein Lucky Punch für die Geschichtsbücher gelungen: Den 1:0-Sieg hast du mit einem Fallrückzieher 12 Minuten vor Schluss gegen Oliver Kahn besiegelt. Tor des Monats, beinahe Tor des Jahres und für Eintracht-Fans sicher eines der Tore des Jahrhunderts…

Ein Moment, der mich mein ganzes Leben lang begleiten wird. Ich glaube, besser hätte man ein Drehbuch für dieses Spiel nicht schreiben können. Das sind die Spiele, die man sich wünscht und an die man sich auch am meisten zurückerinnert, weil alles dabei war und einfach alles gepasst hat. Die Medaille vom Tor des Monats hat bei mir einen Ehrenplatz zuhause, wenn sie nicht zwischendurch im Eintracht Museum ausgestellt ist.

Hand aufs Herz, wie oft hast du dir das Tor schon angeschaut?

Oft. Sehr oft. Es kommen auch immer wieder Leute mit ihren Smartphones und zeigen mir das Tor dann nochmal auf Youtube. Ich bin da zurückhaltend. Mir ist es eher unangenehm, wenn man immer wieder so in den Mittelpunkt gerückt wird.

Hattest du in der konkreten Situation Zeit zum Nachdenken, wie du diesen Ball nehmen könntest oder war es reiner Instinkt?

Ich war von meiner Art her immer ein Instinktfußballer, der nie lange nachgedacht, sondern einfach gemacht hat. Ich hatte keine Angst davor mich etwas zu trauen. Die Sachen, die ich technisch umsetzen konnte, habe ich entsprechend angewendet. Mein damaliger Jugendnationaltrainer Uli Stielike hat immer zu uns gesagt: „Wenn ihr spielt, muss man den Nationalspieler im Team erkennen. Der muss vorangehen und auch mit individuellen Aktionen den Unterschied machen.“ Das hat mich geprägt. Ich habe an diesem Punkt in meiner Karriere gelernt mir etwas zuzutrauen, das Eins gegen Eins zu suchen und in gegebenen Situationen zu überraschen.

Viele ehemalige Spieler sagen im Rückblick auf ihre Karrierehighlights, dass ihnen damals nicht klar war, was sie da erreicht hatten. Und dieser Treffer gehört nun mal zu den Legenden der jüngeren Vereinsgeschichte. Wann ist dir das klar geworden?

Ich denke, dass ist schwierig zu sagen. So richtig wahrnehmen kann man solche Highlights sicherlich erst mit ein wenig Abstand. Unmittelbar nach dem Spiel ging es ins aktuelle Sportstudio und alles prasselt auf dich ein. Die vielen Interviews und PR-Termine, die die Geschichte immer und immer wieder runterspielen, so dass man das Ganze nicht so schnell richtig einordnen kann. Ich bin jetzt 5 Jahre aus dem aktiven Bereich draußen und wenn ich angesprochen werde, dann erst auf dieses Tor. Leute erzählen mir ihren Tagesablauf vom 17.03.2007 und wie sie das Spiel erlebt haben. Das sagt mir, dass es nicht nur für mich was ganz Besonderes war, sondern für viele andere auch.

Jetzt kommt der FC Bayern erneut in die Commerzbank-Arena und scheint in der Bundesliga dominanter denn je. Wie kann man Bayern knacken?

Es muss einfach alles stimmen: Der perfekte Tag, an dem alles zusammenkommt und man das Quäntchen Glück hat. Auch bei unseren vergangenen Siegen hatten die Bayern ja immer ihre Chancen, hätten Tore machen können und dann ging der Ball irgendwie knapp vorbei. In der Bundesliga wird jeder kleine Fehler bestraft, gegen die Bayern schon der klitzekleinste. Wir müssen über uns hinauswachsen. Es darf kein Prozent an Konzentration und Disziplin fehlen und das wird es auch nicht. Zurzeit ist es ja wirklich so, dass man sich an jedem Spieltag fragt, ob die Bayern 3, 4 oder 5 Dinger machen werden. Aber wir sind Eintracht, wir sind immer für ein Stück Geschichte gut. Warum soll heute nicht wieder einer dieser Tage sein, die für uns sind? Ich hoffe, dass wir das schaffen!

Vielen Dank für das Gespräch, Christoph!