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29.02.2016
Traditionsmannschaft

„Wir haben uns in einen brutalen Rausch gespielt“

Daniyel Cimen galt einst als Riesentalent. Mit nur 17 Jahren debütierte das Frankfurter Eigengewächs im Profibereich, etablierte sich und erlebte mit der Eintracht zwei Aufstiege.

Doch schon früh sattelte er auf den Trainerposten um. Seit letztem Jahr kickt der erst 31-Jährige auch für unsere Traditionsmannschaft. Im Interview spricht er über sein frühes Karriereende, seine ersten Erfahrungen als Trainer und den unvergesslichen 6:0-Sieg über den heutigen Gegner aus Schalke.

Daniyel, du hast vergangenes Jahr für die Traditionsmannschaft debütiert und das in einem Alter,  in dem man eigentlich noch auf höchstem Level spielen könnte. Gehörst du schon zum alten Eisen?

(lacht) Bei der Tradi-Elf bin ich tatsächlich noch ein junges Küken. Es ist dem Umstand geschuldet, dass ich vor knapp drei Jahren bei der Eintracht entschieden habe, meine professionelle Karriere an den Nagel zu hängen und mich voll auf die Trainerlaufbahn zu konzentrieren. Ich habe dann auch relativ schnell meine B- und A-Lizenz gemacht. Aber mit 31 Jahren kitzelt es doch noch in den Füßen. Irgendwann kam dann der Kontakt zu Clemens Appel und er fragte, ob ich mal Lust hätte mit der Tradi zu kicken.

Wie ist es, mit so vielen Leuten auf dem Platz zu stehen, die man früher selbst als Fan verehrt hat?

Das ist natürlich ein tolles Gefühl, auch wenn mit zunehmendem Alter die Leistungsfähigkeit nachlässt. Die Neunzigerjahre waren meine Zeit als Fan. Mit Leuten wie Charly Körbel, Rudi Bommer oder Ralf Weber selbst zu spielen ist definitiv etwas Besonderes. Mit Alex Schur oder Uwe Bindewald habe ich selbst noch gespielt, Manni Binz kenne ich noch aus der Zeit, als er für die zweite Mannschaft der Eintracht reaktiviert wurde. Es ist ein schöner Mix und es macht unheimlich viel Spaß.

Was bedeutet dir Tradition?

Tradition ist ganz wichtig. Wenn man sieht, wo viele Traditionsvereine heute ‘rumdümpeln, ist das wirklich sehr, sehr schade. Aber es ist der Lauf der Zeit und jetzt spielen Vereine wie RB Leipzig, Wolfsburg oder Hoffenheim weiter oben. Nichtsdestotrotz glaube ich, dass es solchen Vereinen nicht gelingt, dieses besondere Feeling zu erzeugen, diesen Mythos und die Fankultur. Man spürt es als Spieler, dass man bei einem besonderen Verein spielt, da steckt unheimlich viel Geschichte dahinter – das macht Traditionsvereine aus.

Warum hast du deine Karriere so früh beendet?

Das war so nicht geplant. Ich war spielender Co-Trainer in der U23 der Eintracht. Damals sollte Oscar Corrochano die U19 übernehmen und Alex Schur die U23. Dann hat sich Oscar aber kurzfristig entschieden nach Regensburg zu gehen und der Cheftrainer-Posten der U19 war frei. Mit 27 Jahren als erste Trainerstation eine U19-Bundesligamannschaft zu übernehmen, war eine große Herausforderung und ein Reiz, dem ich nicht widerstehen konnte.

Rollen wir deine Karriere mal chronologisch auf: Du kamst mit 10 Jahren zur Eintracht und hast dort alle Jugendmannschaften durchlaufen. Mit nur 17 Jahren hast du dein Debüt in der zweiten Bundesliga gegeben. Wie kam es dazu?

Im C-Jugendalter mit 14 gab es einen unglaublichen Schub bei mir. Da fing es dann an mit Hessen- und DFB-Auswahl. Bei der Eintracht habe ich erst einen, dann zwei Jahrgänge übersprungen, es ging wirklich unheimlich schnell. Dass ich drei Jahre später selbst im altehrwürdigen Waldstadion auflaufen würde, in dem ich sonst immer zugeschaut habe, das war einfach nicht abzusehen.

Nicht schlecht für einen B-Jugendlichen…

Im Nachhinein war es vielleicht eine zu schnelle, zu rasante Entwicklung für mich. Als Jugendlicher muss man das alles erstmal verarbeiten. Für mich war es aber ein absoluter Traum. Ich habe das Trikot heute noch eingerahmt, es hängt bei meinen Eltern.

Du hattest noch drei weitere Einwechslungen in dieser Saison, die mit dem dramatischsten Aufstieg seit Menschengedenken endete. Welche Erinnerungen hast du an dieses Finish?

Ich glaube, mehr konnte man als 17-Jähriger in seinem ersten Jahr nicht erleben. Es war wirklich eine tolle Saison, speziell die Rückrunde war super spannend mit diesem wahnsinnigen Spiel gegen Reutlingen. Es war einfach unglaublich, die Konstellation in den letzten Minuten war sehr, sehr schwierig. Wir mussten alles oder nichts spielen, das hat bis zum letzten Spieler, der nicht im Kader stand, alle elektrisiert. In der letzten Viertelstunde hat man einfach gespürt: Heute geht noch etwas, es kann nicht so zu Ende gehen. Es war ein unheimlich geiler Moment, als wir das 6:3 gemacht haben und wussten, dass wir es geschafft hatten. Als der Schiri dann abgepfiffen hatte, war es pure Emotion, jeder hat jeden in den Arm genommen. Man hat sich mit Reportern umarmt, mit den Balljungen, mit den Gegnern, obwohl die das eigentlich gar nicht wollten... Man wusste gar nicht wohin mit den ganzen Emotionen, man wollte die ganze Welt umarmen. Es war einfach unglaublich.

In der darauffolgenden Bundesliga Saison setzte Willi Reimann auf Erfahrung und du durftest noch nicht mitmischen. Ein Jahr später hast du in der zweiten Liga im Saisonendspurt deinen Platz in der Mannschaft wieder erkämpft und im Startelf-Debüt gleich dein erstes und einziges Profi-Tor geschossen. Was war da los?

Ja, daran kann ich mich noch sehr gut erinnern. Ich habe auf der Sechs gespielt und hatte als Gegenspieler Faysal El-Idrissi, Saarbrückens Zehner. Meine Aufgabe war es grundsätzlich, die Defensive zu stabilisieren, bei Angriff konnte sich einer der Sechser aber vorne mit einschalten. Wir haben also den Ball gewonnen, ich sah, dass Du-Ri Cha auf rechts freigespielt wurde und dann hatte ich den Impuls nach vorne zu rennen. Ich war im Zentrum, links kam noch einer von uns, der auch relativ frei war, dann kam Du-Ris Querpass und ich habe gegen die Laufrichtung des Torhüters eingeschoben. Es war für mich das perfekte erste Spiel von Anfang an.

Nach dem erneuten Aufstieg war dann die Zeit reif für dein Debüt im Oberhaus. Es lief gut für dich, gleich 12 Einsätze. Neben dem geschafften Klassenerhalt war ein weiteres Highlight die DFB-Pokalrunde. Den heutigen Gegner aus Schalke konntet ihr in der 2. Runde sensationell mit 6:0 aus dem Stadion schießen...

Dieses Spiel kann man so zusammenfassen, dass wir uns einfach in einen brutalen Rausch gespielt haben. Man hat gemerkt, dass bei jedem alles funktioniert hat, jeder Pass kam an, jeder Angriff wurde gefährlich... Wir haben vor Selbstvertrauen gestrotzt und dann war es uns auch egal, ob es Schalke, Dortmund oder Leverkusen war. Schalke war eine absolute Spitzenmannschaft zu der Zeit. An diesem Tag hätten wir aber wohl jeden Gegner im DFB-Pokal geschlagen. Dieses tolle Ergebnis hat dann auch perfekt zur tollen Saison gepasst.

Ihr habt im weiteren Verlauf den Klassenerhalt geschafft. Zu Beginn der neuen Saison hast du ebenfalls regelmäßig gespielt und dann hat es abrupt aufgehört. Woran lag das?

(seufzt) In den ersten vier Spielen hatte ich drei Einsätze und dann kam das Heimspiel gegen den HSV, in dem wir 2:1 führten und dann noch das 2:2 kassiert haben. Ich wurde als Sündenbock für den verpassten Sieg ausgemacht und befand mich danach auf dem Abstellgleis. Meine Reaktion darauf war nicht gut. Ich habe mich hängen lassen anstatt es dem Trainer richtig schwer zu machen. Dann stand ich gar nicht mehr im Kader. Wenn man sah, wie die Jahre zuvor für mich gelaufen waren, war das total unbefriedigend. Als dann das Angebot aus Braunschweig kam, fiel die Entscheidung, mich dorthin ausleihen zu lassen, spontan.

In die 1. Bundesliga gab es dann kein Zurück mehr. Du spieltest noch in der 2. Liga für Braunschweig und diesem seltsamen Verein da drüben, dessen Name mir eben entfallen ist. In der 3. Liga bei Aue hast du dich dann schwer verletzt.

Ja, ich habe mir den Übergang der Achillessehne zur Wade gerissen und hatte seitdem riesige muskuläre Probleme. In den zwei Jahren in Aue hatte ich etwa acht Muskelfaserrisse in der Wade. Da kamen dann auch die ersten Gedanken, dass es für den Spitzensport körperlich nicht mehr reichen könnte. Dann lief auch mein Vertrag aus und so war für mich klar, dass ich wieder in die Heimat zurückkehren würde. Ich wollte erstmal wieder fit werden und dann noch einen Versuch starten. Nach dem Motto: Wenn das klappt, dann klappt es und wenn nicht, dann werde ich mit Fußball aufhören.

Du wurdest zwar fit, dann bot sich dir aber die angesprochene Möglichkeit als Trainer der U19. Es war eine ereignisreiche Zeit mit vielen Aufs und Abs. Was sind deine Lehren aus den Anfängen?

Es ist schon ein wesentlicher Unterschied zwischen Seniorenfußball und Jugendfußball. Im Jugendfußball bist du immer abhängig von der Stärke des Jahrgangs und den Entscheidungen der oberen Mannschaften. Um es zu veranschaulichen: In der letzten Saison hatte Thomas Schaaf in der Vorbereitung fast zehn meiner Spieler nach oben gezogen, so dass wir teilweise mit acht Feldspielern und einem Torwart trainieren mussten. Die restlichen Spieler kamen dann eine Woche vor Saisonbeginn zu uns. Aus Sicht der Vorbereitung ging es natürlich kaum schlimmer. Das ist keine Beschwerde, aber solche Widrigkeiten ziehen sich natürlich durch die Saison. Jetzt als Trainer der ersten Mannschaft von Rot-Weiß Frankfurt kann ich mein Team nach meinen Vorstellungen selbst formen. Das ist ein Riesenunterschied.

Und es läuft gut für euch in der Hessenliga. Dein Team befindet sich auf Aufstiegskurs. Ist die Regionalliga das Ziel?

(lacht) Nein, aber wenn es uns gelingt, sagen wir natürlich nicht nein.

Wann sehen wir dich als Bundesliga-Trainer?

(lacht) Das ist natürlich schwierig. Jeder Trainer hat irgendwo als Ziel oder Traum die Bundesliga. Ich würde es erstmal als Traum bezeichnen. Aber ich möchte jetzt im Seniorenbereich erstmal meine Erfahrungen sammeln und dann sehen, was geht. Mittelfristig möchte ich meinen Fußballlehrer machen, um überhaupt die Qualifikation aufzuweisen. Und dann muss man sehen, wie sich das entwickelt und ob sich die Chance bietet. Im Moment bin ich froh bei Rot-Weiß zu sein. Wir haben ein spannendes Projekt am Laufen, sind auf einem guten Weg und den möchte ich jetzt erstmal so lange wie möglich weitergehen.

Letzte Frage, Eintracht gegen Schalke:  wie geht es aus?

Ich glaube, dass die Eintracht 2:1 gewinnt.