26.03.2025
Museum

Spurensuche 5: Bericht von der Reise nach Berlin - Teil 1

Zum Abschluss des fünften Spurensuche-Projekts stand eine Bildungsreise nach Berlin auf dem Programm. Axel „Beve“ Hoffmann berichtet in zwei Teilen über die Exkursion an die Spree.

Nachdem die gemeinsam vom Eintracht Frankfurt Museum, der Fanabteilung des Vereins und dem Fritz Bauer Institut organisierte Spurensuche über Eintracht und Frankfurt in der NS-Zeit in den vergangenen Jahren nach Theresienstadt, Buchenwald, Dachau und Nürnberg geführt hatte, stand für dieses Jahr eine Reise nach Berlin auf dem Plan.

Zu jeder einzelnen dieser Fahrten gab es ein Begleitprogramm mit Exkursionen und Vorträgen zum jeweiligen Thema. Dieses Jahr beleuchteten wir  in der fünften Ausgabe des Projekts Spurensuche den Widerstand gegen das NS-Regime – den es durchaus durchgehend und in verschiedenen Formen gegeben hat. Allerdings in überschaubaren Maße, Schätzungen gehen heute davon aus, dass sich zwischen 0,4 % bis 2 % der deutschen Bevölkerung dem Widerstand zurechnen lassen. Der Rest hat geduldet, schwang sein Fähnchen oder nahm aktiv am desaströsen Geschehen teil.

Der Leiter des Geschichtsortes Adlerwerke, Thomas Altmeyer, sprach im Rahmen der Veranstaltungsreihe im Eintracht Frankfurt Museum über verschiedene Formen des Widerstandes sowie das nahe Worms gelegene einstige KZ Osthofen, in dem unter anderem der Journalist Richard Kirn inhaftiert war, der lange Jahre über die Eintracht berichtete. Dieses KZ besuchte die Gruppe im Februar. Alexandra Faulhaber, welche die Sportjugend Hessen und die Initative „Nie wieder“ vertritt, hielt einen Vortrag über Frauen im Widerstand – unter besonderer Berücksichtigung der drei Frankfurterinnen Johanna Kirchner, Johanna Tesch und Martha Wertheimer, die alle die NS-Diktatur nicht überlebten.

Reise nach Berlin

Die Exkursion nach Berlin beinhaltete vergangene Woche neben drei Führungen in bedeutsamen Orten der NS-Geschichte (Gedenkstätte Plötzensee, Bendlerblock, Olympiastadion) einen abschließenden Besuch des Denkmals für die ermordeten Juden Europas in Berlins Mitte. Erstmals fuhr die Reisegruppe nicht mit dem Bus, sondern mit dem Zug. Im Geist fuhr natürlich Helmut „Sonny“ Sonneberg mit, der 2023 verstorbene Eintrachtler, der als Kind nach Theresienstadt deportiert wurde und das Ghetto fürs Leben gezeichnet überlebt hatte. Erst spät berichtete er über seine Ausgrenzung und Deportation und war 2019 bei der ersten Spurensuche-Fahrt nach Theresienstadt dabei.

Plötzensee

Untergebracht Nähe Tiergarten, machten sich die Gruppe am ersten Morgen mit dem Bus auf in Richtung der Gedenkstätte Plötzensee – die direkt an die heutige Justizvollzugsanstalt Plötzensee (nunmehr getrennt durch eine Mauer) angrenzt. Empfangen wird der Besucher und die Besucherin von einer Gedenkmauer im Vorhof mit der monumentalen Aufschrift: „DEN OPFERN DER HITLERDIKTATUR DER JAHRE 1933-1945“. Ein dezenter Hinweis auf die Aufarbeitung der NS-Zeit in den Nachkriegsjahren: Der Begriff „Hitlerdiktatur“ impliziert das Narrativ des verführten Volkes – eine These, die die Mittäterschaft der Vielen leugnet. Auf Nachfrage wurde uns bedeutet, dass die Gedenkstellenleitung natürlich um die Problematik weiß, die Inschrift aber aus historischen Gründen bestehen bleibt. Ebenfalls im Vorhof steht eine mannshohe steinerne Urne mit der Asche aus verschiedenen Konzentrationslagern. Unterteilt in zwei Gruppen lauschten die Teilnehmer den Ausführungen der beiden weiblichen Guides über diesen Ort, der während der NS-Diktatur nicht nur als Strafgefängnis, sondern auch als Hinrichtungsort funktionierte. Heute dient nur der kleinere Teil mit Hinrichtungsschuppen und den angrenzenden Ausstellungsgebäuden sowie der Vorhof dem Gedenken.

Die Gedenkmauer an der Gedenkstätte Plötzensee.

Die Opfer, die in Plötzensee zunächst mit dem Handbeil, dann mit der Guillotine umgebracht wurden, waren in der Regel politische Gegner:innen des Regimes und wurden vom „Volksgerichtshof“ abgeurteilt, dessen späterer Präsident Roland Freisler einer der fanatischsten Nazis gewesen ist. Er starb bei einem Bombenangriff am 3. Februar 1945, seine Witwe kassierte bis 1997 nicht nur eine hohe Rente, sondern auch „Schadenausgleich“ für die entgangene bundesrepublikanische Karriere ihres unheilvollen Gatten. Einige der Richter und Staatsanwälte mussten sich in den Besatzungszonen gerichtlich verantworten, auch in der DDR gab es fünf Urteile. Die bundesdeutsche Nachkriegsjustiz zog hingegen keinen der etwa 570 Richter und Staatsanwälte strafrechtlich zur Rechenschaft. Der einzige Angeklagte, Paul Reimers, ein einstiger Beisitzer Freislers, nahm sich 1984 noch vor der Hauptverhandlung das Leben. Etliche der willfährigen Richter blieben auch während der Nachkriegsjahre in Westdeutschland im Richterdienst.

1942 wurden acht Haken an einen Stahlträger in den Schuppen montiert, die Opfer wurden an diesen Galgen dann in den Augen der Nazis würdelos gehängt. Dramatisch die Blutnächte, in denen, da es Hitler nicht schnell genug ging, zwischen dem 7. und 10. September 1943 über 250 Menschen ermordet wurden, darunter auch sechs, über die noch gar kein Urteil gefällt worden war. Bis zur Befreiung durch die Rote Armee am 25. April 1945 wurden im Plötzensee 2883 Menschen hingerichtet, darunter die Frankfurter Sozialdemokratin Johanna Kirchner, der sozialdemokratische Gewerkschaftsführer und einstige hessische Innenminister Wilhelm Leuschner sowie auch andere Mitglieder des Netzwerks rund um das fehlgeschlagene Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944, allesamt in Schauprozessen zum Tod verurteilt – wobei die Hauptaktivisten noch in der folgenden Nacht im Hof des Bendlerblocks erschossen und Ludwig Beck zum Suizid gezwungen wurden. Auch 300 Frauen wurden hingerichtet.

Das Gelände wurde bereits 1952 als Gedenkstätte eingeweiht, in den 1960er Jahren wurde eine Dokumentation angelegt, die seit 1999/2000 überarbeitet präsentiert wird. 1962 besuchte Robert F. Kennedy gemeinsam mit Willy Brandt und der Widerstandskämpferin Annedore Leber, Witwe des in Plötzensee ermordeten Julius Leber, die Gedenkstätte.

Interessiert lauschen die Teilnehmer:innen unserer Reisegruppe den Ausführungen an der Gedenkstätte Plötzensee.

Bendlerblock

Die zweite Führung des Tages fügte sich thematisch in den Vormittag ein und führte uns in den Bendlerblock, seit 1993 zweiter Dienstsitz des Bundesministeriums der Verteidigung. Zwischen 2005 und 2009 unter Führung des Verteidigungsministers und Eintracht-Mitgliedes Franz Josef Jung, dessen Amtszeit als hessischer Generalsekretär der CDU zwischen 1987 und 1991 just in das Zeitalter der schwarzen Kassen fiel, die als Jüdische Vermächtnisse deklariert zur Spendenaffäre auswuchsen.

In der NS-Zeit diente der Gebäudekomplex als Sitz des Allgemeinen Heeresamtes und des Befehlshabers des Ersatzheeres im Oberkommando des Heeres (OKH). Hier liefen auch die Fäden der Widerstandsgruppe um Claus Schenk Graf von Stauffenberg zusammen. Unten im Hof wurden nach dem Scheitern des Anschlags die in den Augen des Regimes Hauptschuldigen um Stauffenberg erschossen. Heute erinnern in diesem Hof Gedenktafeln sowie eine Statue des Bildhauers Richard Scheibe, der einst die Frankfurter Städelschule leitete und das Ebert-Denkmal an der Paulskirche schuf, an die dramatischen Ereignisse vom 20. April 1944.

Seit 1968 befindet sich im Ostflügel des Bendlerblock die Gedenkstätte Deutscher Widerstand, die an die vielfältigen Formen des Widerstandes und die Aktivist:innen in Form einer Dauerausstellung erinnert. Widerstand, der vor allem vor der NS-Zeit auch von Künstlern wie Heinrich Mann ausging, deren Bücher gleich nach dem Aufstieg der NSDAP verbrannt wurden und von denen etliche ins Exil gehen mussten. Widerstand, den vor allem Sozialdemokraten, Kommunisten und Gewerkschaftler leisteten, die als erste in die ab 1933 entstehenden Konzentrationslager deportiert wurden. Widerstand, der meist wie im Falle der Weißen Rose, der von den Nazis so titulierten Roten Kapelle oder den Widerstandskämpfern des gescheiterten Attentats vom 20. Juli 1944 mit dem Leben bezahlt wurde.

Erneut in zwei Gruppen geteilt, informierten sich die Frankfurter Spurensuchenden sehr genau über die Formen des Widerstands, dabei entpuppte sich der Historiker Julian Bleymehl als Frankfurter und ehemaliger Zeuge Yeboah, der mit Verve durch die Ausstellung führte.

Den zweiten Teil des Reiseberichts finden Sie unter folgendem Link: Zum zweiten Teil des Reiseberichts.

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