Eintracht-Traditionsspieler Oka Nikolov, der mit seiner Philadelphia Union bereits aus dem Titelrennen ausgeschieden ist, nutzt das Saisonende für einen ausgedehnten Heimatbesuch. Mit uns sprach er über sein Leben in den Staaten, die aktuelle Lage der Eintracht und Wildwuchs im Gesicht.
Schön dich mal wieder in Frankfurt begrüßen zu können, Oka. Wie ist es für dich, wieder zuhause zu sein?
Es ist erstmal schön, Urlaub zu haben. Es war ein langes, intensives Jahr mit vielen neuen Eindrücken. Wir sind sehr viel gereist, so dass ich noch mehr von den USA mitbekommen habe als zu meiner Zeit als Spieler. Das tägliche Arbeiten als Assistenztrainer war erstmal neu für mich. Eine gute Erfahrung. Jetzt freue ich mich, für ein paar Wochen hier zu sein, Freunde und Familie zu treffen, die Bundesliga zu schauen und natürlich die Eintracht wieder aus der Nähe zu verfolgen.
In deiner ersten Saison als Assistenz- und Torwarttrainer bei Philadelphia Union konntet ihr die Mannschaft in die Playoffs führen, wo sie allerdings in der ersten Runde gegen Toronto ausgeschieden ist. Wie bewertest du die Saison?
Wer sich mit der MLS auskennt, weiß, dass Philadelphia Union ein sehr junger Verein ist. Wir wurden 2008 gegründet und spielen erst seit sechs Jahren in der Liga. In dieser Zeit haben wir uns nur einmal für die Playoffs qualifiziert. Dass uns dies nun mit einer ganz neu zusammengestellten, jungen Mannschaft zum zweiten Mal gelungen ist, ist ein Erfolg für uns. Vor allem da wir drei Rookies [unerfahrene Jungprofis im US-Sport, d. Red.] an Bord hatten, die meist in der Startelf standen. Ich glaube, das hat vor uns noch niemand in der MLS geschafft. Das wollen wir nun weiterführen und mit dieser Mannschaft etwas aufbauen.
Viele Leute fragen sich, was macht der Oka eigentlich genau in Philadelphia? Wie können wir uns einen typischen Tag von dir vorstellen?
Ich stehe um 6:30 Uhr auf, um 7 Uhr fahre ich ins Büro. Dort schauen wir uns je nach Wochentag das vergangene Spiel an oder gehen das Trainingsprogramm durch. Ab 10 Uhr wird trainiert. Ich trainiere manchmal die Torhüter, manchmal nehme ich die ganze Mannschaft, dann wieder die Abwehrreihe oder den Sturm. Mir war wichtig, dass ich über das Torwarttraining hinaus eingebunden werde und für die ganze Mannschaft mitverantwortlich bin. Um 12:30 Uhr ist Mittagessen und dann erfolgt die Nachbereitung des Trainings und das ganze Tagesgeschäft. Um 17 Uhr ist der Arbeitstag vorbei.
Philadelphia Union war auch deine erste US-Station als Spieler, nachdem du die Eintracht verlassen hattest. Gibt es noch Spieler im aktuellen Kader, mit denen du damals noch zusammen gespielt hast?
Ja, Brian Carroll und Fabinho waren 2013 noch meine Teamkollegen.
Wie ist es, die Seiten zu wechseln und dann den ehemaligen Kameraden als Trainer entgegenzutreten?
Als Assistenztrainer ist man sowieso immer näher an der Mannschaft dran. Das ist überhaupt kein Problem. Wir haben wirklich gute Jungs, die sehr lernwillig sind. Sie fragen viel und schauen nach Europa. Sie respektieren das, was du erreicht hast, und das macht das Arbeiten leicht.
Wie bewertest du die Entwicklung der MLS und den Stellenwert des Fußballs in den USA insgesamt?
Ich habe 2013 hier gespielt und bin nun als Trainer vor Ort. In diesen drei Jahren hat sich einiges getan. Das Niveau wird immer besser, 90 Prozent der Mannschaften spielen inzwischen in einem reinen Fußballstadion. Meiner Meinung nach ist Fußball stark im Kommen, weil auch immer mehr Kids zwischen acht und vierzehn Jahren spielen. Es ist natürlich nicht wie Football oder Baseball, klar. Aber wenn die Entwicklung so weitergeht, kann die MLS in den nächsten zehn Jahren zu den Top-Ligen gehören.
Schon vor 25 Jahren, als die WM in den USA vorbereitet wurde, erwartete man das Erwachen des schlafenden Riesen. Warum ist der Durchbruch nicht schon längst gelungen?
Das Fernsehen war nicht dabei. Die MLS hat erst seit zwei, drei Jahren Verträge mit den großen Sendern, so dass man auch jedes Spiel live sehen kann. Die europäischen Topligen werden ebenfalls gezeigt. Die Kinder und Jugendlichen können das erst seit kurzem richtig verfolgen. Das ganze Umfeld ist bereits seit einiger Zeit sehr professionell, unser Trainingszentrum ist eins a. Vor kurzem habe ich sogar eine Statistik gelesen, wonach die MLS schon jetzt zu den Top Ten der Ligen mit dem höchsten Zuschauerschnitt gehört.
Du sprichst die Professionalität an: Wie oft trainiert ihr?
Es ist sehr ähnlich wie hier in Deutschland: Wenn Samstag gespielt wurde, dann ist am Sonntag Auslaufen angesagt. Am Montag ist frei, dienstags, donnerstags und freitags steht eine Trainingseinheit auf dem Programm, mittwochs zwei. Es kommt natürlich immer auf den nächsten Gegner an: Wenn wir zu Auswärtsspielen in den Westen fliegen, geht die Reise schon am Donnerstag los, also zwei Tage vorher. Wegen des langen Fluges und der Zeitumstellung. Wenn wir im Osten bleiben, reisen wir freitags zu unseren Auswärtsspielen.
Hört sich nach einigen Strapazen an…
Das kann man so sagen. Du fliegst sechs Stunden nach Los Angeles, hast drei Stunden Zeitumstellung, anderes Klima, schläfst schlecht. Das darf man alles nicht unterschätzen. Wenn du in den Höhenlagen von Colorado spielst, bleibt der Ball aufgrund der Luftdichte länger in der Luft, das glaubt man gar nicht. Ich möchte mich aber nicht beschweren, ich bin sehr glücklich, das alles miterleben zu dürfen.
Wie geht es jetzt mit dir weiter?
Am 02. Januar fliege ich wieder nach Philadelphia. Ich habe dort noch ein Jahr Vertrag, den ich auch erfüllen werde. Mitte Januar ist der Draft [Auswahlverfahren für Nachwuchssportler in den USA, d. Red.] und am 23. Januar beginnt offiziell die Vorbereitung auf die neue Saison, die Anfang März startet.
Sprechen wir über die SGE: Du bist immer am Puls der Eintracht, gegen Dortmund warst du in der Commerzbank-Arena live dabei. Wie schätzt du die aktuelle Lage ein?
Sehr gut. Dortmund war das vierte Spiel in dieser Saison, das ich vollständig sehen konnte. Und ich muss sagen, dass es jedes Mal Spaß gemacht hat, der Mannschaft zuzuschauen. Das hat Hand und Fuß, wirkt strukturiert und kontrolliert und die Mannschaft erarbeitet sich in jedem Spiel Torchancen. Man muss aber auch sagen: Die Saison ist noch sehr lang. Es werden Phasen kommen, in denen die Mannschaft mal zwei, drei Spiele in Folge nicht gewinnt. Dann wird sich alles ein wenig relativieren. Von mir aus kann es aber gerne so weitergehen wie bisher (lacht).
Dein Tipp für das Spiel gegen Hoffenheim?
Das gibt ein 2:1 für die Eintracht.
Zuletzt noch aus reiner Neugierde: Als du hier ankamst, hat man dich äußerlich fast nicht wiedererkannt. Was war denn das bitte für ein Rauschebart?
Ach, naja. Also bei uns in Philly gibt es einen Spieler mit Bart namens Richie Marquez. Der hat mich angestiftet. Ich lasse ja öfter den Bart ein, zwei Wochen lang stehen. Und er meinte irgendwann, ich solle den doch mal wachsen lassen. Und auf einmal waren da so viele Haare im Gesicht, dass meine Tochter meinte, ich solle den gefälligst abnehmen. Das war nur ein kurzes Kapitel (lacht).