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20.02.2023
Museum

Historie: Die Eintracht und Neapel

Ein Achtelfinale der Champions League erfordert intensive Vorbereitung, auch für die Fans. Und so haben wir einmal mehr unseren Autoren Uli Matheja gebeten, einige Infos zum SSC Neapel zu recherchieren.

Herausgekommen ist ein sehr ausführlicher Text, der bitte bis morgen Abend, 21 Uhr, durchgearbeitet wird. Man will ja wissen, mit wem man es zu tun hat.

Schon fast zweihundert Jahre vor Maradona war der bekannte Frankfurter Johann Wolfgang von Goethe in Neapel. Während seiner fast zweijährigen Italienreise hielt sich Johann Wolfgang 1787 zweimal mehrere Wochen in Neapel auf. Die Stadt am Vesuv gehörte damals mit fast 400.000 Einwohnern zu den größten und schönsten der Welt und zog auch den Dichterfürsten in seinen Bann. Seine Eindrücke hielt er in einem Reisetagebuch fest, die er zwischen 1813 und 1817 unter dem Titel „Italienischen Reise“ veröffentlichte. Am 16. März 1787 notierte er:

Neapel ist ein Paradies, jedermann lebt in einer Art von trunkner Selbstvergessenheit. Mir geht es ebenso, ich erkenne mich kaum, ich scheine mir ein ganz anderer Mensch.

Johann Wolfgang von Goethe

Italienische Fußballgeschichte

Das Wappen des Naples Cricket & Foot-Ball Club.

Ob Johann Wolfgang auch einen Fußball in seinem Reisegepäck hatte, ist unwahrscheinlich, denn der Überlieferung nach fand das erste Fußballspiel in Neapel erst 1896 zwischen einer Mannschaft des 1889 gegründeten „Reale Club Canottieri Italia“ und einer Auswahl anderer Ruder- und Segelvereine statt. Bei der seit 1898 ausgespielten italienischen Fußball-Meisterschaft blieben die norditalienischen Klubs aber lange Zeit unter sich. Erst 1912/13 nahmen Vereine aus den Regionen Toscana, Latium und Kampanien an den Ausscheidungsspielen teil. Zwar hatte 1901 „Virtus Partenopea“ aus Neapel am Fußballturnier des nationalen italienischen Turnverbandes FGNI teilgenommen, doch erst Ende 1904 gründeten der Ingenieur Amedeo Salsi und der bei der „Cunard Line“ angestellte Engländer William Poths mit dem „Naples Cricket & Foot-Ball Club“ den ersten „richtigen“ Fußballklub in Neapel. Eigentlich sollte dieser die Fußballabteilung des „Reale Club“ bilden, doch kam es noch vor dem ersten Spiel 1905 zur Trennung. 1906 wurde „Cricket“ aus dem Vereinsmanen gestrichen.

Wappen des Unione Sportiva Internazionale im Jahr 1911.

Am 11. Oktober 1911 spalteten sich ähnlich wie 1908 in Mailand (Milan/Inter) unzufriedene ausländische Mitglieder als „Unione Sportiva Internazionale“ ab. Der Naples FBC setzte sich 1913 in den Ausscheidungsspielen zur italienischen Meisterschaft zunächst mit 2:1 und 3:2 gegen den neuen Konkurrenten durch, scheiterte jedoch im „Finale Centro Sud“ an Lazio Rom mit 1:2 und 1:1. Daran sollte sich auch 1914 nichts ändern. Diesmal zog Internazionale mit 0:1 und 0:8 gegen Lazio den Kürzeren. 1915 konnte die kampanische Meisterschaft durch den Kriegseintritt Italiens nicht beendet werden.

FBC Internazionale-Naples, Jahr 1922.

Auch nach Wiederaufnahme des Spielbetriebs 1919 landeten beide neapolitanischen Klubs in der Meisterschaft „Centro Sud“ nur im Mittelfeld, so dass es im Oktober 1922 zur „Wiedervereinigung“ von Naples und Internazionale unter dem Namen „FBC Internazionale-Naples“ kam. Doch auch „Internaples“ konnte sich zunächst nur langsam etablieren. Erst 1926 wurde man kampanischer Meister und erreichte anschließend das Endspiel der „Lega Sud“ gegen den römischen Klub „Alba“, der 1927 mit zwei weiteren Vereinen unter dem Druck des faschistischen Regimes zur AS Rom vereinigt wurde.

Associazione Calcio Napoli, Jahr 1926.

In Neapel fand die „Italienisierung“ des Vereins schon am 25. August 1926 statt. Da beschloss die Aktionärsversammlung die Umbenennung in „Associazione Calcio Napoli“, da der alte Name sowohl Assoziationen zum politischen Gegner (der kommunistischen Internationale) als auch eine fremdsprachige Bezeichnung der Stadt enthielt. Auch in Mailand musste sich der FC Internazionale 1928 kurzzeitig mit der US Milanese zur „SS Ambrosiana“ (nach dem Schutzpatron der Stadt) vereinigen, durfte 1930 dem Vereinsnamen aber wieder die Bezeichnung „Inter“ hinzufügen: „AS Ambrosiana-Inter“.

Obwohl Napoli 1927 nur Vorletzter der Gruppe I der „Divisione Nazionale“ war, profitierte es von Fusionen in Rom und Genua, durfte erstklassig bleiben und schaffte 1929 als einziger Verein südlich von Rom die Qualifikation für die neue „Serie A“, in der jedoch weiterhin die Klubs aus dem Norden den Ton angaben. Als 1942 mit der „Roma“ erstmals ein Verein aus dem „Centro Sud“ Meister wurde, musste Napoli als Vorletzter absteigen. Nachdem man den direkten Wiederaufstieg als Dritter knapp verpasst hatte, wurde der Spielbetrieb in Süditalien im September 1943 kriegsbedingt eingestellt.

Das Vakuum füllte zunächst die im Mai 1944 gegründete „Societa Sportiva Napoli“, die im Sommer mit zwölf anderen kampanischen Klubs an der „Coppa della Liberazione“ teilnahm. Obwohl Napoli seine Vorrundengruppe gewann, verzichtete man auf eine weitere Teilnahme am Wettbewerb. Zu groß waren die infrastrukturellen Probleme: 232.000 zerstörte Wohnungen, kein Strom, Trinkwasser Mangelware. Nachdem das „Stadio Partenopeo“, seit 1930 Heimspielstätte von Napoli und bei der WM 1934 Austragungsort des Spiels um den 3. Platz zwischen Deutschland und Österreich (3:2), 1942 bei einem britischen Luftangriff zerstört worden war, spielte der Klub 1942/43 im „Stadio Littorio“, wo er schon in der Saison 1933/34 zu Gast gewesen war. Nach 1943 wurde die Anlage jedoch erst von der Wehrmacht als Lager für Zwangsarbeiter genutzt und dann von den Amerikanern beschlagnahmt, so dass Napoli heimatlos war und auf die Plätze von Ilva Bagnolese und in den Botanischen Garten ausweichen musste.

Nach dem Zweiten Weltkrieg

Während in Norditalien 1945/46 die alten Erstligisten in einer 14er-Gruppe an den Start gingen, wurde in „Centro Sud“ zunächst in einer gemischten Staffel A-B mit elf Vereinen gespielt, in der die Zweitligisten SSC Neapel und AS Bari punktgleich die Spitzenplätze belegten. In der Endrunde um die erste Nachkriegsmeisterschaft belegte Napoli hinter den Turiner Klubs AC und Juventus, sowie AC und Inter Mailand den fünften Platz, womit man 1946/47 wieder Erstligist war und 1947 wieder den Namen „AC Napoli“ annahm.

Die Freude währte aber nicht lange. Die Saison 1948/49 beendete Napoli mit einem Punkt Rückstand auf das rettende Ufer als Viertletzter auf einem Abstiegsplatz. Doch der Klub hatte Protest gegen die Wertung des 0:1 bei Inter Mailand wegen eines annullierten Treffers eingelegt, der vom Verbandsgericht abgeschmettert wurde. Es kam sogar noch schlimmer. Nachdem Bologna Korruptionswürfe gegen Napoli erhoben hatte, stufte der Verband den Klub auf den letzten Platz zurück. Napoli witterte eine Verschwörung des Nordens, ging in die Revision, um „den italienischen Fußball vom Mailänder Trust zu befreien“ und wollte sogar vor ein ordentliches Gericht ziehen. Als die Liga daraufhin drohte, den Klub aus dem organisierten Fußball auszuschließen, resignierte man. Der Konflikt mit dem Norden schwelte aber weiter.

Zwei Jahre brauchte Napoli zum Wiederaufstieg und verstärkte sich mit Amadeo Amadei von Inter Mailand, der 1942 mit der Roma die Meisterschaft gewonnen hatte. Er kam mit der Empfehlung von 142 Toren in der Serie A und sollte in sechs Jahren bei Napoli 47 weitere Treffer erzielen. 1952 wurde der Schweden Hans Jeppson von Atalanta Bergamo für die astronomische Summe von 105 Millionen Lire (damals rund 600.000 DM) verpflichtet – neuer Transfer-Weltrekord! Es war nicht der erste und sollte nicht der letzte Transfer-Coup der Neapolitaner sein. Schon 1930 wurden für Enrico Colombari vom FC Turin 250.000 Lire auf den Tisch geblättert. Da zahlte man für einen Kinobesuch noch 3 Lire, für einen Espresso 70 und für eine Pizza 60 Centesimo.

1952 war auch der Reeder Achille Lauro (1887 – 1982) auf den Präsidentenstuhl zurückgekehrt, den er bereits von 1936 bis 1940 innegehabt hatte. Lauro hatte in der Zeit des Faschismus politische Karriere gemacht und war deshalb von den Alliierten für 22 Monate inhaftiert worden. Von 1952 bis 1958 und noch einmal 1961 war er Bürgermeister von Neapel. Die Verpflichtung Jeppsons nutzte er für seinen Wahlkampf, in dem er mit populistischen Parolen wie „Ein großes Napoli für ein großes Neapel“ und „Feinde von Napoli sind Feinde von Neapel“ bei der Bevölkerung punkten konnte. Obwohl nur bis 1954 im Amt, blieb er über 20 Jahre der Strippenzieher im Hintergrund.

Die Sonne und ein Apostel - Das Stadion

Lauro initiierte 1952 auch den Bau eines neuen Stadions, das am 6. Dezember 1959 mit einem 2:1 Napolis gegen Juventus Turin als „Stadio del Sole“ (Sonnenstadion) eingeweiht wurde. Mit einem Fassungsvermögen von fast 90.000 gehörte es zusammen mit den „Olimpico“ in Rom und dem „San Siro“ zu den größten Stadien Italiens. Rekordbesuch gab es am 15. Dezember 1974 mit 90.736 Zuschauern gegen Juventus Turin. 1963 wurde es auf Betreiben der katholischen Kirche in „Stadio San Paolo“ umbenannt, da der Apostel Paulus 60 n. Chr. in der Nähe zum ersten Mal italienischen Boden betreten haben soll – in Wirklichkeit war es aber in der ein paar Kilometer entfernten Hafenstadt Pozzuoli. Zur WM 1990 wurde das Stadion überdacht und die Kapazität auf 72.810 Sitzplätze reduziert. Nach weiteren Umbaumaßnahmen ist das Stadion heute für 54.726 Zuschauer zugelassen.

Obwohl Napoli seinen Zuschauerschnitt im neuen Stadion auf 44.110 verdoppeln konnte, brachte es sportlich zunächst kein Glück, denn 1961 stieg man erneut n die Serie B ab. Das Unglück konnte zwar sofort korrigiert werden und durch ein 2:1 gegen SPAL Ferrara wurde zudem erstmals der Pokal geholt (Napoli ist bis heute der einzige Serie-B-Klub, dem dieses Kunststück gelang!), doch 1963 folgte der nächste Abstieg. Nachdem man sich 1964 in „Societa Sportiva Calcio Napoli“ umbenannt hatte, kehrte man 1965 in die Serie A zurück.

Und auch diesmal wurde nicht gekleckert sondern geklotzt. Mit dem Argentinier Omar Sivori (von Juventus Turin) und dem Brasilianer José Altafini (vom AC Mailand) holte man zwei Top-Stürmer an den Vesuv. Finanziert wurden die Transfers durch den Verkauf von Dauerkarten auf Raten. 52.308 Abos spülten rund 6,5 Millionen DM in die Klubkasse. Getragen von der Euphorie stürmte Napoli auf Platz 3 und gewann außerdem den Alpenpokal. Für die Folgesaison konnten sogar 69.344 Dauerkarten abgesetzt werden und kurzzeitig wurde sogar an einer Ausleihe von Pelé vom FC Santos gearbeitet. Mit einem Zuschauerschnitt von 75.797 wurde 1966/67 eine neue Bestmarke aufgestellt, die erst 1984/85 in der ersten Saison von Diego Maradona überboten werden sollte. Mit Ausnahme der Spielzeiten 1970/71 und 1972/73 (jeweils AC Mailand) sollte Napoli bis 1988 immer die meisten Zuschauer in der Serie A anziehen, doch der Traum, als zweite süditalienische Mannschaft nach der Roma 1942 Meister zu werden, erfüllte sich nicht. 1970 holte sich US Cagliari aus Sardinien den „Scudetto“, 1974 Lazio und 1983 AS Rom.

Der "Goldjunge" - Diego Armando Maradona

Auch in Frankfurt konnte man sich von der Heißblütigkeit der neapolitanischen Tifosi überzeugen, denn beim Spiel um den Alpenpokal am 17. Juni 1969 waren über die Hälfte der 11.500 Zuschauer im Waldstadion Napoli-Fans. „Jusufi als Ankurbler“ lautete die Schlagzeile im „kicker“, der die Treffer von Helmut Kraus (50.) und Bernd Hölzenbein (62.) einleitete. Zwischenzeitlich hatte Paolo Barison ausgeglichen (56.). Bei beiden Eintracht-Toren machte Pacifico Cuman, der Torwart-Legende Dino Zoff vertrat, allerdings keine gute Figur. „Napoli in vena, Cuman incerto“ (Neapel in Stimmung, Cuman unsicher) titelte der „Corriere dello Sport“. Die Eintracht spielte in folgender Aufstellung: Kunter, Jusufi, Lutz, Lindner, Schämer, Kalb, Hölzenbein, Grabowski, Nickel, Lotz, Kraus. Trainer war Erich Ribbeck.

Während die Eintracht 1974, 1975 und 1981 Pokalsieger wurde und 1980 den UEFA-Pokal holte, gab es für die Napoli-Fans neben zwei zweiten Plätzen 1968 und 1975 nur einen Pokalsieg (1976, 4:0 gegen Hellas Verona) zu feiern.

Das alles sollte sich aber 1984 mit der Ankunft eines Spielers schlagartig ändern. Für die neue Weltrekordablöse von 24 Millionen DM wurde Diego Armando Maradona vom FC Barcelona verpflichtet. Die Tifosi waren aus dem Häuschen. Der Verkauf von Dauerkarten verdoppelte sich von 33.958 auf 67.398, der Zuschauerschnitt stieg von 55.591 auf die nie wieder erreichte Rekordhöhe von 77.560. Doch auch mit dem „Goldjungen“ (El Pibe de Oro) dauerte es drei Jahre, bis man in Neapel feiern konnte – dafür umso ausgelassener. Denn neben der ersten Meisterschaft gewann Napoli auch den Pokal, was zuvor nur „Il Grande Torino“ 1942/43 und dessen Stadtrivale Juventus 1959/60 gelungen war. Und es ging munter weiter. 1989 holte sich Napoli durch ein 2:1 und 3:3 gegen den VfB Stuttgart (mit dem späteren Eintrachtler Maurizio Gaudino) den UEFA-Pokal, 1990 folgten die zweite Meisterschaft und der italienische Superpokal. Doch plötzlich wurde Maradona zum Problemfall. Schon 1989 hatte er um die Freigabe gebeten und war verspätet aus dem Urlaub zurückgekehrt. Dazu kamen Drogenprobleme und Ende März 1991 ein positiver Dopingtest. Überstürzt verließ der Argentinier Neapel und wurde in Abwesenheit zu 14 Monaten Gefängnis verurteilt. Außerdem wurde er bis Ende Juni 1992 weltweit gesperrt.

Maradona wird in Neapel nach wie vor verehrt.(Foto: vom Titelbild des Buches „Eines Tages im Mai. Die Geschichte des SSC Neapel“ von Oliver Birkner.

Ohne Maradona war es mit Glanz und Gloria zunächst einmal vorbei. Doch der Dank der Neapolitaner und die fast göttliche Verehrung ihres „Fußballgotts“ ist bis heute ungebrochen. Der Platz vor einem überdimensionalen Wandbild im „Quartieri Spagnoli“ ist eine beliebte „Wallfahrtsstätte“ für Fußballfans aus der ganzen Welt. Einer der unzählbaren Schreine, in denen die Erinnerung an ihn weiterlebt, schmückt sogar den Titel von Oliver Birkners Buch „Eines Tages im Mai. Die Geschichte des SSC Neapel“. Nach Maradonas Tod am 25. November 2020 wurde das Stadion San Paolo in „Stadio Diego Armando Maradona" umbenannt. Ein Apostel hatte gegen einen Heiligen keine Chance.

Die Eintracht und Napoli

Die Verehrung eines „Fußballgotts“ ist nicht die einzige Parallele in der Geschichte von Napoli und der Eintracht. Beide spielten 1994/95 zum letzten Mal für lange Zeit international. Im Achtelfinale des UEFA-Pokals hatte die Eintracht aber noch die Nase vorne. Durch ein Eigentor von Renato Buso und einen Treffer von Ralf Falkenmayer, der vor Kurzem seinen 60. Geburtstag feierte, hieß es zweimal 1:0. 1996 stieg die Eintracht dann zum ersten Mal in ihrer Geschichte ab, 1998 erwischte es Napoli. Und dazwischen, am 8. Oktober 1997, standen sich beide zum vorerst letzten Mal gegenüber. Was eigentlich als „Highlight für den Fußballfan“ inmitten einer „italienischen Woche“ gedacht war, lockte wegen strömenden Regens aber nur 2.500 Fans ins Waldstadion. Immerhin 180.000 sollen jedoch die Live-Übertragung im HR-Fernsehen verfolgt haben. Zwei Tore von Hakan Cengiz reichten nicht. Die Eintracht unterlag mit 2:3.

Während unseren Adlern 1998 der Wiederaufstieg gelang, steuerte Napoli dem Tiefpunkt seiner Vereinsgeschichte entgegen: Abstieg in die Serie B, 2000 Wiederaufstieg, 2001 erneuter Abstieg. Selbst in der Serie B reichte es bald nur noch zu Platzierungen im unteren Tabellendrittel. Am 30. Juni 2004 kam das Aus: Ein neapolitanisches Gericht besiegelte den Konkurs des Klubs. Das am 6. September 2004 neugegründete „Napoli Soccer“ musste in der drittklassigen Serie C neu beginnen. Doch wieder einmal bewiesen die Fans ihre Treue. Mit 37.080 hatte Napoli 2004/05 den viertbesten Zuschauerschnitt im italienischen Fußball. Nur die Erstligisten Milan (63.595), Inter (57.295) und Roma (49.631) zogen mehr Fans an. Zum Play-off-Finale gegen US Avellino strömten 63.153 Zuschauer ins Stadion. Zwar musste man sich dem ungeliebten Lokalrivalen knapp geschlagen geben (0:0 und 1:2), doch 2006 kehrte man als Meister der Serie C1 in die Serie B zurück und nahm wieder den Traditionsnamen SSC Neapel an.

Damit war das Märchen aber noch nicht zu Ende, denn 2006/07 gelang der Durchmarsch in die Serie A. Und auch die Erfolge kehrten zurück. Nur 2008/09 (12.) belegte Napoli keinen einstelligen Tabellenplatz und konnte 2012, 2014 und 2020 die Pokalsiege vier bis sechs feiern. Seit 2010/11 ist man zudem ununterbrochen im Europapokal dabei, davon allein siebenmal in der Champions League. 2015 wurde das Halbfinale im UEFA-Pokal erreicht, in dem man knapp an Dnipro Dnipropetrowsk (1993/94 Gegner der Eintracht in der 2. Runde des UEFA-Pokals) scheiterte.

Natürlich konnte dank der Champions-League-Millionen auch wieder kräftig in den Kader investiert werden. Das zeigt ein Transfer-Vergleich mit der Eintracht. Während unsere SGE nur für zwei Spieler zweistellige Millionenablösen auf den Tisch blättern musste (2017/2018 für Luka Jovic rund 22,5 Mio. Euro an Benfica Lissabon sowie 2019 für Djibril Sow 10,0 Mio. an Young Boys Bern) und für vier Spieler mehr als 10 Mio. Euro Ablöse erzielte (2019 für Luka Jovic 62,783 Mio. von Real Madrid und für Sebastien Haller 50 Mio. von West Ham United, 2021 für André Silva 23 Mio. von RB Leipzig sowie 2022 für Filip Kostic 13 Mio. von Juventus Turin), tätigte Napoli laut transfermarkt.de bereits 53 Transfers im zweistelligen Euro-Bereich mit einem Gesamtvolumen von rund 1,2 Milliarden (!). Und dabei tauchen die umgerechnet rund 12 Mio. Euro für Maradona bereits unter „ferner liefen“ auf. Teuerster Einkauf der Vereinsgeschichte ist der Franzose Victor Osimhen, der 2020 für 75 Mio. von Lille OSC kam, teuerster Verkauf Gonzalo Higuain, der 2016 für 90 Mio. zu Juventus Turin wechselte.

Doch alles Geld der Welt wäre Nebensache, sollte Napoli in der laufenden Saison den dritten „Scudetto“ einfahren. Aktuell führt man die Serie A mit fünfzehn Punkten Vorsprung an. Es wäre auch Zeit, dem ungeliebten Norden mal wieder Paroli zu bieten, denn seit Napolis letztem Titelgewinn 1990 konnten sich gerade mal zwei Klubs aus dem Süden in die Meisterliste eintragen: 2000 Lazio und 2001 AS Rom. Die Tifosi würden erneut auf Wolke 7 schweben und alle Sorgen des Alltags für eine Weile vergessen. Auch das ist Napoli. Oder um es mit den Worten von Aurelio De Laurentiis, seit 2004 Präsident des SSC Neapel, auszudrücken:

Hier in Neapel funktioniert ein Scheißdreck! Niemand sagt: Hey, weißt du, in Neapel funktioniert alles, und nebenher gibt es dort auch noch Fußball.Nein! In Neapel gibt es nur den Fußball, also seid dankbar!

Aurelio De Laurentiis, seit 2004 Präsident des SSC Neapel. (Quelle: Birkner: Eines Tages im Mai. Die Geschichte des SSC Neapel).

Für beide Vereine spielten:

Thorsten Flick                  1993-1998 Eintracht, 1998-1999 Napoli

Damir Stojak                    1998 Napoli, 1998-1999 Eintracht, 2000-2001 Napoli

Erwin Hoffer                    2009-2010 Napoli, 2011-2013 Eintracht, 2013 Napoli

Jonathan de Guzman        2014-2016 Napoli, 2017-2020 Eintracht

Amin Younes                    2018-2020 Napoli, 2020 Eintracht

 

Der heutige ungarische Nationaltrainer Marco Rossi spielte 1984-1986 bei SSC Campania Neapel und 1996/97 bei der Eintracht. – Maurizio Gaudino spielte zwar nie für SSC Neapel, seine Eltern kamen aber aus der Region Kampanien nach Deutschland.

 

Bisherige Spiele unserer SGE gegen Napoli

1969       Eintracht Frankfurt - Neapel             2:1 (H)                    Alpenpokal

1994/95  Eintracht Frankfurt - Neapel             1:0 (H), 1:0 (A)      Achtelfinale, UEFA-Pokal

1997       Eintracht Frankfurt - Neapel             2:3 (H)                    Europa League, Gruppenphase

Weitere Europapokalspiele der Eintracht gegen italienische Klubs:

1968/69   Juventus Turin          0:0 (A), n. V. 1:0 (H)    Messepokal, 1. Runde

1994/95   Juventus Turin          1:1 (H), 0:3 (A)            UEFA-Pokal, Viertelfinale

2006/07   US Citta di Palermo  1:2 (H)                         Europa League, Gruppenphase

2018/19   Lazio Rom                 4:1 (H), 2:1 (A)           Europa League, Gruppenphase

2018/19   Inter Mailand             0:0 (H), 1:0 (A)           Europa League, Achtelfinale