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24.10.2023
Museum

Historie: Die Eintracht und HJK Helsinki

Am Donnerstag trifft die Eintracht in der UEFA Europa Conference League auf den HJK Helsinki. Wir schauen einmal genauer auf unseren finnischen Gast.

Am vergangenen Wochenende gewann HJK Helsinki die 33. Meisterschaft. Aber warum hat das HJK-Logo fünf Sterne, bei „erst“ 33 Meisterschaften? Die Antwort ist einfach und passt zu einem Land, das 1906 als erstes in Europa das aktive und passive Frauenwahlrecht eingeführt hat. Als die Männer 2020 ihren 30. Titel holten (= drei Sterne), fügte man unter dem Motto „Alle Sterne in einem Logo“ zwei Sterne für die 23 Meisterschaften der Frauen hinzu! Auch im Pokal ist HJK finnischer Rekordhalter: 14-mal holten die Männer, 17-mal die Frauen den „Suomen Cup“. Ulrich Matheja hat die Geschichte des HJK und die frankfurt-finnischen Berührungspunkte zusammengefasst.

Die frühen Jahre in Finnland

Gegründet wurde der Helsingin Jalkapalloklubi (Helsinki Fußball-Klub) am 19. Juni 1907 auf Anregung von Franz Frederik Wathén, einem Allroundsportler, 1901 Weltmeister im Eisschnelllauf-Mehrkampf und erster HJK-Vorsitzender. Da der Klub bei finnischsprachigen Schülern und Studenten sehr beliebt war, wurde 1908 nach einer hitzigen Debatte Finnisch zur alleinigen Vereinssprache erklärt, worauf viele schwedischsprachige Mitglieder den Verein verließen und sich dem bereits 1897 gegründeten „schwedischen“ HIFK (Idrottsföreningen Kamraterna i Helsingfors) anschlossen, der seit 1907 eine Fußballabteilung hatte.

Das Wappen von HJK Helsinki.

1909 wechselte HJK seine Klubfarben von Weiß-Schwarz zu Blau-Weiß, um die Verbundenheit mit der „Fennoman“-Bewegung auszudrücken, die sich seit Mitte des 19. Jahrhunderts für die Aufwertung der finnischen Sprache stark machte. Zwar hatte Schweden Finnland 1809 nach jahrhundertelanger Herrschaft an Russland abtreten müsste, doch blieb Schwedisch im nunmehr weitgehend autonomen Großfürstentum weiterhin die Sprache des Adels, des städtischen Bürgertums und der Verwaltung. Der in Stockholm geborene Philosoph und Politiker Johan Vilhelm Snellman konnte jedoch 1863 dem russischen Zaren Alexander II. eine Verordnung abringen, nach der Finnisch innerhalb von 20 Jahren zur gleichberechtigte Amts- und Gerichtssprache werden sollte. Verwirklicht wurde dies erst im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts, doch gilt Snellman bis heute als Symbolfigur der finnischen Nationalbewegung und Wegbereiter der Unabhängigkeit.

Zum seinem 100. Geburtstag wurde 1906 der „Suomalaisuuden Liitto“ (= Verband für das Finnentum) gegründet, dessen Ziele bis heute die Stärkung der finnischen Identität sowie die Förderung des Bildungswesen und der finnischen Kultur sind. Im gleichen Jahr „finnisierten“ rund 100.000 Personen demonstrativ ihre schwedischen Nachnamen. Prominentester Vorsitzender des Verbandes war Anfang der 1930er Jahre der spätere Staatspräsident (1956 bis 1981) Urho Kekkonen (1900 bis 1986).

Nachdem sich Finnland nach der Oktoberrevolution am 6. Dezember 1917 von Russland losgesagt hatte, führte ein sozialistischer Umsturzversuch Ende Januar 1918 zu einem kurzen, aber blutigen Bürgerkrieg, der mit dem Sieg der bürgerlichen, von Deutschland unterstützten Seite endete. Der im Oktober 1918 von Deutschland als König installierte Friedrich Karl von Hessen musste schon nach kurzer Zeit auf die Krone verzichten, worauf sich Finnland 1919 eine republikanische Verfassung gab. Allerdings wurden ab Herbst 1918 Vereine aus dem Nationalen Finnischen Sportverband „Suomen Valtakunnan Urheiluliitto“ (SVUL) ausgeschlossen, die mit den „Roten“ sympathisiert hatten oder wenn mehr als die Hälfte der Vereinsmitglieder wegen „Teilnahme am Aufstand“ verurteilt worden waren. Diese Vereine gründeten am 26. Januar 1919 den Finnischen Arbeitersportbund „Suomen Työväen Urheiluliitto“ (TUL), der ähnlich wie der Arbeiter-Turn- und Sportbund (ATSB) in Deutschland eigene Wettkampfstrukturen aufbaute.

Erstmals Meister

Zurück zum Fußball. In der 1908 erstmals ausgetragenen finnischen Fußballmeisterschaft schied HJK im Halbfinale zwar gegen den späteren Meister Unitas aus Helsinki aus, konnte sich 1911 aber erstmals in die Meisterliste eintragen. Als Finnland 1912 am olympischen Fußballturnier in Stockholm teilnahm, standen sechs HJK-Spieler im Kader. Zwar setzte es im Halbfinale gegen die britischen Amateure (0:4) und im Spiel um Bronze gegen die Niederlande (0:9) hohe Niederlagen, doch hatte man zuvor mit einem 3:2 nach Verlängerung gegen Italien und einem prestigeträchtigen 2:1 gegen Russland aufhorchen lassen. Mit Helsingin Palloseura (Helsinki Ballklub) erwuchs ab 1917 zwar ein ernstzunehmender Konkurrent, doch in der bis 1929 letztmals im Pokalmodus ausgetragenen Meisterschaft lag HJK mit sieben Titeln gegenüber fünf von HPS vorn.

Das sollte sich erst ändern, als der Finnische Fußballverband Ende Januar 1930 die Einführung einer landesweiten Ligameisterschaft mit acht Teams beschloss. Um die drei direkten Startplätze und einem in der Zusatzqualifikation bewarben sich in Helsinki sechs Vereine. Nach einem verpatzen Auftakt gegen den bisher unterklassigen IF Stjärnan (0:1) unterlag HJK anschließend gegen HIFK (0:3), HPS (0:11) und Kronohagens IF (KIF, heute FC Kiffen 08/1:3). Lediglich gegen das punktlose Schlusslicht Toverit gab es einen Sieg (3:2). Der Rekordmeister hatte die Qualifikation für die neue „A-Sarja“ verpasst. Erst ab 1933 konnte sich HJK dauerhaft in der obersten Spielklasse etablieren und errang 1938 die neunte Meisterschaft.

Nach dem Zweiten Weltkrieg verschob sich das Gleichgewicht im finnischen Fußball zugunsten der Vereine aus der „Provinz“, auch bedingt durch die Wiederaufnahme der Vereine des Arbeitersportverbands. So wurde der TUL-Klub Kotkan TP 1951 und 1952 Meister, während der Titel zwischen 1945 und 1981 nur zehnmal an Vereine aus Helsinki ging. 1949 mussten mit HIFK, HJK und HPS gleich drei Hauptstadtvereine absteigen. HJK verbrachte insgesamt fünf Jahre in der Zweitklassigkeit (1945/46, 1950 bis 1952 und 1963), holte sich aber 1964 als Aufsteiger Titel Nr. 10. In den 1970er-Jahren gab der Klub auch seine Eishockey-, Bandy- und Volleyball-Abteilungen auf und konzentrierte sich fortan auf den Fußball. Und das mit großem Erfolg. Von den 33 Meisterschaften wurden neun bis 1938 gewonnen, fünf in den Jahren 1964 bis 1981 und 19 seit 1985. Sein Europapokaldebüt gab HJK 1965/66 im Europapokal der Landesmeister gegen Manchester United (2:3 und 0:6). Zu Duellen mit deutschen Vereinen kam es bislang viermal.

Duelle zwischen HJK Helsinki und deutschen Klubs

SaisonWettbewerbStufeGegnerErgebnisse
1975/76UEFA-Pokal1. RundeHertha BSC1:4 (A), 1:2 (H)
1985/86Europapokal der PokalsiegerAchtelfinaleDynamo Dresden1:0 (H), 2:7 (A)
1998/99Champions LeagueGruppenphase1. FC Kaiserslautern0:0 (H), 2:5 (A)
2011/12Europa LeaguePlay-offsFC Schalke 042:0 (H), 1:6 (A)
Ein Plakat zur Arbeiterolympiade 1925 im Frankfurter Waldstadion.

Berührungspunkte mit der Eintracht

Auch die Berührungspunkte Finnlands mit der Eintracht und Frankfurt sind überschaubar, reichen aber bis ins Jahr 1925 zurück, als das finnische Team bei der Ersten Arbeiter-Olympiade im wenige Wochen zuvor eröffneten Waldstadion im Endspiel vor 40.000 Zuschauern mit 0:2 gegen die deutsche ATSB-Auswahl unterlag. Die Arbeiterolympiade war eine Großveranstaltung der Arbeitersportbewegung und wurde in den 1920er und 1930er Jahren als Gegenentwurf zu den Olympischen Spielen durchgeführt, die Frankfurter Veranstaltung ging vom 24. bis 28. Juli 1925 und lockte geschätzte 450.000 Besucher an. 3.000 aktive Sportler kamen aus elf Ländern, die Finnen brachten eine der größten Sportlergruppen nach Frankfurt.

Das Endspiel bei der Arbeiterolympiade 1925 verlor das finnische Team im Waldstadion mit 0:2 gegen die deutsche ATSB-Auswahl.

Das erste Spiel auf finnischem Boden trug die Eintracht am 11. August 1959 im Anschluss an ihre UdSSR-Reise vor 12.000 Zuschauern im Olympiastadion gegen eine „als »Auswahl Helsinki« getarnte finnische Nationalmannschaft“ aus (kicker vom 17. August 1959) und siegte durch Tore von Stinka und Stein mit 2:0. „Obwohl wir am Schluss mit 2:0 die Oberhand behielten, machten sich doch die vorangegangenen Strapazen sehr bemerkbar, so dass wir den finnischen Zuschauern leider nicht das bieten konnten, was wir ihnen gern gezeigt hätten. Dem Spiel schloss sich ein Bankett an, dem auch der Präsident des finnischen Fußballverbandes beiwohnte“, berichtete Dieter Lindner in den „Vereins-Nachrichten“.

Die Mannschaft der Eintracht vor dem Abflug nach Helsinki 1959.
Am 10. August 2022 spielte die SGE im UEFA Supercup in Helsinki gegen Real Madrid.

Auch ihre Europapokal-Premiere hätte die Eintracht im September 1959 eigentlich gegen einen finnischen Gegner bestreiten sollen, doch als die UEFA den Antrag von Kuopion PS, beide Spiele in Deutschland auszutragen, ablehnte, verzichtete der finnische Meister von 1958.

So dauerte es bis zum 10. August 2022, bevor die Eintracht erneut in Helsinki gasierte und im UEFA-Supercup gegen Real Madrid mit 0:2 unterlag. In der Conference League wird gegen HJK aber nicht im „großen“ Olympiastadion, sondern in der direkt danebengelegenen „Bolt Arena“ gespielt, die 1999/2000 erbaut wurde, einen Kunstrasen hat und 10.770 Zuschauern Platz bietet.

Einziger Finne bei der Eintracht war der 1989 in Bratislava geborene, aber im finnischen Turku aufgewachsene Lukas Hradecky, der zwischen 2015 und 2018 in 116 Pflichtspielen im Tor der SGE stand und nach dem Pokalsieg 2018 zu Bayer Leverkusen wechselte. Mit der finnischen Nationalmannschaft, für die er bisher 89 Länderspiele bestritt, nahm er 2021 an der EM-Endrunde teil.