Ein gutes Vorzeichen? Erst einmal traf die Eintracht in Pflichtspielen auf den Aberdeen Football Club. In der ersten Runde des UEFA-Pokals 1979/80 setzte sich die SGE durch, am Ende der Saison stand der Titelgewinn. Im Vorfeld der Partie in der UEFA Europa Conference League blickt das Eintracht Frankfurt Museum einmal auf die Geschichte des Gegners aus Schottland.
Der Aberdeen FC entstand am 14. April 1903 durch Zusammenschluss dreier lokaler Vereine: dem „alten“ Aberdeen FC (gegründet 1881), dem Orion FC (1885) und Victoria United (1889). Der neue Klub übernahm vom „alten“ Aberdeen FC nicht nur den Namen, sondern auch die seit 1899 benutzte Spielstätte Pittodrie Park und die Klubfarben weiß-blau. Nachdem am 3. Februar 1900 das Länderspiel Schottland gegen Wales 12.500 Zuschauer angezogen hatte und ein Jahr später mit dem FC Everton der erste Klub aus England zu Gast war, strebte man in der Stadt im schottischen Nordosten einen Platz in der Scottish Football League an. Doch obwohl die drei Vorgängerklubs den seit 1887/88 ausgespielten Aberdeenshire & District Cup dominierten, lief es in der Northern League nicht ganz so gut. Die Saison 1902/03 hatte Aberdeen als Vorletzter, Victoria United als Achter und Orion als Vierter von 13 Klubs abgeschlossen. Dazu kam die geografische Lage von Aberdeen, das rund 100 km nordöstlich von Dundee liegt, damals die am nördlichsten gelegene Stadt der schottischen Liga. Kein Wunder also, dass der Aufnahmeantrag (noch) abgelehnt wurde.
Neue Trikots, neuer Spitzname: „Wasps“
Obwohl der „neue“ Aberdeen FC 1903/04 nur Dritter der Northern League wurde, profitierte er vom Rückzug von Ayr Parkhouse und wurde in die 2. Division der „Scottish Football League“ aufgenommen. Und änderte seine Trikotfarben in schwarz-gold gestreifte Hemden mit anfangs blauen, ab 1910 weißen Hosen, die dem Klub den Spitznamen „Wasps“ (Wespen) einbrachten. In dieser Kombination wurde bis März 1939 gespielt, als die Stadtfarben rot und weiß angenommen wurden. Die erste Saison im Profilager wurde 1905 als Achter beendet. Dennoch bekam Aberdeen neben dem Meisterschaftszweiten Falkirk FC den Zuschlag für die von 14 auf 16 Klubs aufgestockte 1. Division. Ein Grund mag der Erfolg im Scottish Qualfying Cup gewesen sein, den man vor 12.000 Zuschauern in Pittodrie mit 1:0 gegen den späteren Zweitligameister Clyde FC aus Glasgow gewann.
Im Oberhaus des schottischen Fußballs ließ Aberdeen anfangs noch wenig aufhorchen, ein zweiter Platz im Jahr 1911 war lange das beste Ergebnis. 1916/17 beendete man die Saison sogar als Letzter und zog sich danach kriegsbedingt und aus finanziellen Gründen mit anderen Klubs aus dem Nordosten Schottlands bis 1919 aus der Liga zurück. Erst 1937 sollte Aberdeen wieder für Schlagzeilen sorgen, wurde in der Meisterschaft Zweiter hinter den Glasgow Rangers und erreichte erstmals das Pokalendspiel. Dort unterlag man zwar gegen Celtic Glasgow knapp mit 1:2, doch die 147.365 Zuschauer im Hampden Park sind bis heute Rekord für ein Klubspiel in Europa! Der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs beendete zwei Jahre später zunächst den ersten Höhenflug des Klubs.
Erstes Ausrufezeichen: Finalsieg gegen Rangers
Nach Kriegende setzte der Klub 1946 ein erstes Ausrufezeichen. In der Liga Dritter, wurde im Finale des (Southern) League Cup der Meister Glasgow Rangers vor rund 130.000 Zuschauern mit 3:2 geschlagen. Ein Jahr später wurde man nach einem 2:1 über Hibernian Edinburgh erstmals Pokalsieger. 1955 ließ man sowohl Celtic als auch die Rangers hinter sich und feierte die erste Meisterschaft. 1967/68 nahm Aberdeen als Velierer des Pokalendspiels erstmals am Europapokal teil, bezwang dort auch KR Reykjavik mit 10:0, zog dann aber gegen Standard Lüttich den Kürzeren.
Mit dem Pokalsieg 1970 (3:1 gegen Celtic) begann eine weitere erfolgreiche Ära der Vereinsgeschichte, die zwischen 1978 und 1986 unter Manager Alex Ferguson ihren Höhepunkt hatte: Meister 1980, 1984, 1985; Pokalsieger 1982, 1983, 1984, 1986; Ligapokalsieger 1986; Europapokalsieger der Pokalsieger 1983 durch ein 2:1 nach Verlängerung gegen Real Madrid und UEFA-Supercup-Sieger 1983 durch ein 0:0 und 2:0 gegen den Hamburger SV.
Seitdem gab es für die „Dons“ nicht mehr viel zu feiern. Nach dem Double aus Pokal- und Ligapokalsieg 1990 holte man 1996 und 2014 noch zweimal den Ligapokal und war von 2015 bis 2018 viermal in Folge Vizemeister – allerdings immer mit großem Abstand auf Meister Celtic. 2021/22 geriet man nach einer schwachen Rückrunde mit nur zwei Siegen und acht Unentschieden in den letzten 18 Spielen sogar in Abstiegsgefahr. Aberdeen ist aber neben Celtic der einzige Klub in Schottland, der nie aus der obersten Spielklasse abgestiegen ist. Durch den dritten Platz in der Liga wurden 2023 die Play-offs zur UEFA Europa League erreicht, in denen man aber gegen den BK Häcken aus Göteborg verlor und somit in die Europa Conference League „abstieg“.
Wie die meisten britischen Vereine hatte auch Aberdeen bis in die 1970er Jahre kein offizielles Vereinswappen. Allerdings wurden zahlreiche Variationen der Buchstaben AFC benutzt, bevor 1972 die Grundversion des heutigen Wappens eingeführt wurde: Ein an ein Tor erinnerndes A mit einem Ball als Bindestrich und dem Kürzel „FC“. Ab 1979 zierte dieses auch die Trikots und ist auch auf dem Programmheft vom UEFA-Pokal-Spiel gegen die Eintracht am 19. September 1979 zu sehen. Das Spiel endete vor 23.000 Zuschauern 1:1. Im Rückspiel erzielte Bernd Hölzenbein in Frankfurt das goldene Tor, dass das Weiterkommen der Eintracht bedeutete.
Für die Herkunft des Stadionnamens des Aberdeen FC gibt es zwei Versionen. So soll „Pittodrie“ aus dem gälischen „todhar“ (= Gülle) abgeleitet sein. Und tatsächlich wurde im 19. Jahrhundert auf dem Gelände des heutigen Stadions der Mist von Polizeipferden entsorgt. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass das Land der Familie Knight Erskine gehörte, die ihren Wohnsitz im Pittodrie House ca. 32 km nordwestlich von Aberdeen hatte. So ungewöhnlich wie die Herleitung des Namens ist auch die Lage des Stadions direkt an der Nordsee. Jahrzehntelang war das „Beach End“ Stammplatz der Heimfans, bevor es 1993 dem Neubau einer Sitzplatztribüne weichen musste. Heute hat das Stadion ein Fassungsvermögen von 20.866. Der Besucherrekord von 45.061 wurde am 13. März 1954 beim Pokalspiel gegen Heart of Midlothian augfestellt. Nachdem 1971 Teile der Haupttribüne einem Brand zum Opfer gefallen waren, wurde das Stadion in den folgenden Jahren modernisiert und bis 1978 zum ersten reinen Sitzplatzstadion Großbritanniens umgewandelt.
Fünftes Eintracht-Duell mit Schotten
Der Aberdeen FC ist international schon zehnmal auf deutsche Klubs getroffen, konnte sich dabei aber nur 1983 gegen Bayern München und im gleichen Jahr im UEFA-Supercup gegen den Hamburger SV durchsetzen. Bester Europapokaltorschütze des Klubs ist Mark McGhee (14), der von 1984 bis Oktober 1985 beim HSV spielte.
Für die Eintracht ist es das fünfte Duell mit einem schottischen Klub. Die Spiele gegen die Glasgow Rangers 1960 (6:1, 6:3) und 2022 in Sevilla sind jedem Eintracht-Fan ein Begriff. Und die Begegnungen 1979 gegen Aberdeen waren der Anfang einer Reise, die am 21. Mai 1980 mit dem Gewinn des UEFA-Pokals endete. Lediglich gegen den FC Kilmarnock gab es am 22. September 1964 im Messepokal lange Gesichter. Nach einem 3:0 im Hinspiel unterlag die Eintracht im Rückspiel trotz 1:0-Führung dem kommenden schottischen Meister mit 1:5.
Es gibt lediglich einen Spieler, der das Trikot beider Vereine trug: Der jamaikanische Nationalspieler Michael Hector ist momentan auf seiner 19. Station (!) bei Charlton Athletic aktiv. 2013/14 war er vom Reading FC an den Aberdeen FC (Station Nr. 13, 22 Pflichtspiele/1 Tor) ausgeliehen und 2016/17 vom Chelsea FC an die Eintracht (Station Nr. 15, 27 Pflichtspiele/1 Tor).