zaehlpixelzaehlpixel
01.04.2018
Traditionsmannschaft

„Hier hat sich ein Haufen gefunden, der gar nicht schlecht zusammenpasst“

Abstiege sind der Albtraum eines jeden Fußballers. Besonders dann, wenn dieser Kelch bislang stets an einem vorbeigegangen war. Als die Eintracht im Mai 1996 erstmals den bitteren Gang in die zweite Liga antreten musste, schien die Welt am Main unterzugehen. Vier Abstiege und vier Aufstiege später weiß auch der Letzte: Lebbe geht weider! Der erste Wiederaufstieg kam dennoch einer wahren Erlösung gleich. Vor 20 Jahren waren unsere Traditionsspieler Thomas Zampach, Ralf Weber und Thomas Sobotzik live dabei und lassen im Interview mit Eintracht vom Main ihre Erinnerungen aufleben.

Ralf, dem Niedergang der Eintracht im Jahr 1996 musstest du tatenlos vom Eintracht-Lazarett aus zusehen. Wie hast du die Situation damals erlebt?

Weber: Es war so, dass die Mannschaft in der Saison 1995/96 vom Kader her eigentlich gut aufgestellt war, aber leider einiges nicht gepasst hat. Zwischendurch hatten wir noch 4:1 zuhause gegen die Bayern gewonnen, mit den zwei Toren von Matthias Hagner. Aber dann gab es zu viele Heimniederlagen und es war relativ früh klar, dass es Schwierigkeiten geben kann. Ich habe in dem Jahr Probleme mit meiner Gesundheit gehabt, bin x-mal operiert worden, ohne dass es besser geworden wäre. Ich musste trotz des guten Alters über mein Karriereende nachdenken. Ich war zwar nah dran am Geschehen, die Priorität hatte aber doch die eigene Gesundheit.

Deine Leidenszeit zog sich bis ins Finale der ersten Zweitligasaison, gegen Kaiserslautern am vorletzten Spieltag feiertest du beim 1:1 dein umjubeltes Comeback vor heimischen Publikum. Was war das für ein Gefühl?

Weber: Ich hatte schon fast drei Monate lang mittrainiert, immer auch mit Höhen und Tiefen. Und dann hat der Trainer gesagt, du bist dabei. Nach etwa 70 Minuten bringt er mich auch. Das Gefühl war erstmal gut, doch dann auf dem Platz war es die absolute Katastrophe. Ich hatte null Orientierung, die sind links und rechts und vorne und hinten an mir vorbeigelaufen, da dachte ich, oh...

Sobotzik: … Aber was war daran anders als sonst?

Weber (lacht): Zu dir kommen wir gleich auch noch, mein Freund.

Sobotzik: Kleines Späßchen.

Weber: Marco Reich hat damals bei Lautern gespielt, zu seiner guten Zeit, und dann war ich doch etwas überfordert in dem Spiel. Am Ende war aber die Freude groß, weil ich nach dem Spiel keine Schmerzen hatte. Das war viel wert für mich zu dieser Zeit.

Und im letzten Spiel in Oldenburg hast du auch gleich ein Tor geschossen…

Weber (schmunzelt): Ich habe halt nicht so lange Anlaufzeiten wie andere, wenn sie von Verletzungen zurückkommen (blickt zu Sobotzik).

Für die neue Saison erfolgte ein personeller Umbruch mit etlichen Zugängen. Darunter auch die Herren Zampach und Sobotzik. Sobo, du kamst aus der Frankfurter Jugend, hattest auch schon für die erste Mannschaft der Eintracht in der Bundesliga debütiert, warst zwischenzeitlich aber für St. Pauli am Ball. Wie kam es zu deiner Rückkehr?

Sobotzik: Ich sehe mich schon als Frankfurter Jungen, bin im Rhein-Main-Gebiet zuhause und die Eintracht war schon immer mein Verein. Ich war im Abstiegsjahr an St. Pauli ausgeliehen und hatte sogar beim 2:1-Sieg gegen die Eintracht ein Tor gemacht. Das war für mich ehrlich gesagt makaber, dass wir dringeblieben sind und die Eintracht runter musste. Nach noch einem Jahr Bundesliga in St. Pauli war für mich allerdings klar, dass ich zur Eintracht zurückwollte. Bernd Hölzenbein hatte mir die Bundesligakarriere nicht so wirklich zugetraut und irgendwie wollte ich es beweisen auch hier zuhause. Als Horst Ehrmanntraut Trainer wurde, die Mannschaft neu aufgebaut hat und die Eintracht vermeintlich vor einer schwierigen Saison stand, hat sich die Konstellation ergeben. Ich habe mir die Situation damals genau angeschaut und habe da sehr viel Qualität gesehen. Da waren Leute wie Webi, Hubtchev, Janßen, Schui, Binde... das waren keine Blinden. Eine gute Mischung aus erfahrenen Leuten und jungen hungrigen, die sich beweisen wollten. Für die 2. Liga war das schon eine gute Mannschaft.

Zampe, du warst auch ein „Local Player“, warst in der Eintracht Jugend, beim OFC, bei Mainz 05 und Wehen Wiesbaden. Wie hat dein Weg in diesen Kader geführt?

Zampach: Ich war von Mainz 05 nach fünf Jahren zweiter Liga an Wehen Wiesbaden ausgeliehen. Die Eintracht hat sich neu aufgestellt und Jungs aus der Region gesucht, damals kamen ja auch Sascha Amstätter, Renato Levy oder Sead Mehic. Ich hatte in Wiesbaden ein super Jahr, wir waren aufgestiegen. Für mich war völlig klar, dass wenn ich ein Angebot aus Frankfurt bekomme, ich dort auch hingehe. Als Frankfurter Junge hätte man damals auch für die Hälfte gespielt.

Weber: Das kann man nachher immer sagen.

Sobotzik (lacht): Für die Hälfte der Leistung, oder wie?

Mit welcher Zielsetzung seid ihr in die Saison gegangen? Was habt ihr nach außen kommuniziert, was nach innen und was habt ihr für euch persönlich definiert?

Sobotzik: Ehrmanntraut hat nicht nur nach außen, sondern auch nach innen kommuniziert, dass man sich nicht zu sehr unter Druck setzen will. Oben mitspielen war die Devise. Ich glaube aber, dass die Mannschaft vom ersten Tag an mehr wollte. Wir wollten alle aufsteigen. Webi war Nationalspieler, da gehst du nicht raus und willst nur oben mitspielen. Die Erwartungshaltung war für Frankfurter Verhältnisse erstaunlicherweise nicht so hoch. Die hielten uns vermutlich für eine Gurkentruppe. Ich bin aber mit der klaren Überzeugung gekommen, aufsteigen zu können. Und das wollte ich natürlich auch. Da haben wir uns selbst mehr Druck gemacht als alle um uns herum.

Druck ist ein gutes Stichwort, gerade erst hat Per Mertesacker tiefen Einblick zum Druck gegeben, der auf den Schultern von Profifußballern lastet. Wie habt ihr das erlebt?

Zampach: Es war kein Druck da. Die Eintracht hat in der ersten Zeit nach dem Abstieg um den Klassenerhalt in der zweiten Liga kämpfen müssen. Es kamen 15 Neue für 1,5 Millionen. D-Mark, wohlgemerkt. Das muss man sich heute mal vorstellen. Da muss man erstmal gucken, dass sich so eine Mannschaft überhaupt findet. Die Erwartungshaltung war niedrig. Die Leute wollten, dass wir drinbleiben. Aber wir waren so ein verschworener Haufen, kamen aus der Region und hatten genug Stolz, uns nicht an der Tankstelle beschimpfen lassen zu wollen.

Das Auftaktspiel gegen Absteiger Fortuna Düsseldorf bot bereits alles an Dramatik, was den Sport ausmacht: wechselnde Führungen, Platzverweis, später Siegtreffer. Wie wichtig war der Auftaktsieg?

Weber: Für mich war das zunächst mal wieder es ein super Auftakt. Ich habe mir nämlich im Abschlusstraining eine leichte Zerrung im Hüftbeuger zugezogen und konnte nicht spielen. Ich dachte nur: Weber, du bist so ein Schwachkopf, jetzt geht wieder nichts. Und dann hat man aber von draußen gesehen, was in der Truppe drinsteckt – auch wenn ich nicht dabei war (lacht).

Zampach: Große Moral.

Weber: Das hatte uns keiner zugetraut, gegen Favorit Düsseldorf damals so zurückzukommen. Wir hatten 1:2 hinten gelegen, Marco Gebhardt hat das Spiel entschieden und von den Rängen kam sofort die Reaktion. Der Charakter der Mannschaft hat sich aber schon in der Saisonvorbereitung gezeigt. Ich glaube, man hat bereits in der ersten Trainingswoche gleich gemerkt: hier hat sich vielleicht ein Haufen gefunden, der gar nicht so schlecht zusammenpasst. Mit dem Spezialisten Thomas Epp, mit Urs Güntensperger, Olaf Janßen, Marco Gebhardt…

Sobotzik: Gute Typen.

Zampach: Zum Schluss haben wir noch Westerthaler dazu geholt. Da gab es gute Chemie.

Wenn wir über Chemie sprechen, müssen wir auch über den Trainer sprechen. Horst Ehrmanntraut galt als akribischer Arbeiter mit, nun ja, etwas esoterischen Schwingungen. Wie habt ihr die Arbeit mit ihm erlebt?

Sobotzik: Ich habe ihn nicht mehr oder weniger kompliziert erlebt, als alle anderen Trainer. Jeder hat seine Ecken und Kanten. Zu mir persönlich war er unheimlich loyal und gerecht. Eine Anekdote sagt vielleicht alles: Ein Jahr später in der Bundesliga habe ich gegen Hertha BSC eine richtig dumme Rote Karte kassiert. Ich wurde von Michael Preetz gehalten, habe mit dem Ellbogen ausgeschlagen, Tätlichkeit, fünf Spiele Sperre. Jetzt erwartest du als Spieler das Übliche: Anschiss, Geldstrafe usw. Ehrmanntraut hat nichts getan. Als wäre nichts passiert. Ich habe im Training Gas gegeben und als die Sperre vorüber war, hat er mich sofort wieder aufgestellt. Das war der 1:0-Sieg gegen Bayern, bei dem ich das Siegtor geschossen habe. Da sieht man, was man als Trainer erreichen kann: ich wollte ihm so viel zurückgeben. Als Mensch und als Trainer ist er für mich eine Persönlichkeit.

Zampach: Das kann ich nur bestätigen. Von diesen ominösen Schwingungen habe ich ehrlich gesagt auch nichts mitbekommen. Ich war vielleicht so in meinem Tunnel, ich habe die Situation mit Bernhard Lippert, der aus der Kabine geworfen wurde, gar nicht wahrgenommen. Was mich bei Ehrmanntraut beeindruckt hat: Er hat einem nach jedem Spiel Einzelkritik gegeben. Da wusstest du immer wo du stehst, egal ob dir die Zeitung eine Fünf oder eine Zwei gegeben hat. Er war so akribisch und hat jedem Spieler schon bei den Lauftests individuelle, sekundengenaue Zeitvorgaben gemacht. Das war für mich schon eine neue Welt.

Weber: Wenn man selbst als Trainer tätig ist, merkt man: Da gibt es schon Dinge, die einen stören und die andere Beobachter gar nicht nachvollziehen können. Die fragen sich dann: Was ist denn mit dem los, wieso hat der jetzt einen Hals? Die Aktion mit Lippert war damals nichts Anderes. Der „Bene“ hatte vor dem Spiel die Torhüter warmgemacht und lief dann in der für den Trainer heißesten Phase, wenige Minuten vor Anpfiff, wenn der Trainer die Spieler heiß machen will, gemütlich mit dem Handtuch und mit Badelatschen aus der Dusche. Und das ging gar nicht für den Horst Ehrmanntraut. Und die Nummer in Fürth mit dem Busfahrer… da hieß es dann, Ehrmanntraut habe den Busfahrer gefeuert, weil er zu früh oder zu spät im Stadion war. Tatsächlich gab es einen Anschiss, weil Ehrmanntraut auf routinierte Abläufe gesetzt hat und ihm Details wichtig waren. Das war Teil seiner Akribie und hatte nichts mit einem Sprung in der Schüssel zu tun.

Schaut man sich die Gesamtbilanz der Saison an, sieht man auffällig viele Siege mit einem Tor Unterschied (12 von 17) und viele Unentschieden (13). Warum konnte die Mannschaft auf des Messers Schneide so viele Partien für sich entscheiden?

Weber: Es gab diese Schlüsselspiele und die Schlüsselmomente innerhalb dieser Spiele. Der Sieg gegen Fortuna Köln direkt vor der Winterpause war zum Beispiel ein ganz wichtiger Schritt. Da gelang mir ein richtiges Gurkentor, aus 17 Metern, mit drei Km/h durch sechs Beine, der Torwart sieht nichts, der Ball fällt zum 1:1 rein. Und dann hat „Eppo“ noch das 2:1 gemacht. Eigentlich ein Rotzkick, über 90 Minuten gesehen. Aber irgendwie haben wir es gebogen.

Zampach: Das war der Glaube an uns selbst. Nimm auch das Rückspiel gegen die Stuttgarter Kickers. Wir führen bis zur 84. mit 1:0, in der 86. liegen wir dann 1:2 hinten und in der Nachspielzeit gewinnen wir mit 3:2. Das sind genau die Spiele, die du brauchst für dein Selbstbewusstsein.

Weber: Wir haben uns das erarbeitet. Wir waren in der Lage Druck auszuüben. Wir wussten, dass jeder bei uns im Kader dazu in der Lage ist, etwas Besonderes zu machen.

Sobotzik: Die Grundlage ist immer Qualität. Wenn die nicht da ist, kannst du als Trainer machen, was du willst. Wir hatten für die Liga gute Qualität und auch die notwendigen Typen. Wenn sich im Training einer hängen ließ, hat der Webi dazwischengehauen.

Zampach: …oder wenn ich die fünfte Flanke hinters Tor gehauen habe (lacht).

Sobotzik: Solche Leute brauchst du einfach, um die engen Spiele zu gewinnen. Wir wollten nichts herschenken. Nicht im Spiel und auch nicht im Training. Selbst im blöden Fünf-gegen-zwei-Eckchen flogen manchmal die Fetzen. Nur so geht das. Das scheint in der aktuellen Mannschaft auch so zu sein.

Spricht man über das Stuttgart-Spiel und Typen, kann ein Name nicht fehlen: Ansgar Brinkmann, der mit zwei Treffern dieses Spiel maßgeblich geprägt hat. Er kam erst im Winter dazu. Was war das für einer?

Sobotzik: Ansgar ist nach wie vor ein Freund. Er ist halt speziell. Den kann man in keine Schublade packen, den muss man so nehmen, wie er ist. Wenn man so einen Spieler in der Mannschaft hat, muss man versuchen, sich auf seine Stärken zu konzentrieren und die Schwächen aufzufangen. Wir hatten dann auch Spieler in der Mannschaft, die ihn führen konnten und die er respektiert hat. Manchmal hat man von außen den Eindruck, er könne keine Hierarchien akzeptieren, aber das stimmt nicht.

Zampach: Die Trainer haben ihn nicht hingekriegt, aber der Webi schon… (lacht)

Weber (lacht): Den habe ich zurechtgebogen.

Sobotzik: Er ist halt ein Gerechtigkeitsfanatiker. Und im Fußball, wie im Leben, geht es eben nicht immer gerecht zu. Ansgar ist dann vielleicht mehr als andere angeeckt. Aber man kann es auch positiv sehen. Er ist immer ehrlich und direkt, lügt dich niemals an. Damit kann man umgehen und das wusste der Horst Ehrmanntraut auch zu tun. Das war für uns ein Gewinn.

Weber: Ansgar hat natürlich auch gemerkt, dass er in eine sehr homogene Mannschaft gekommen ist und er mit Kasperkram kein Profil gewinnen wird. Da war in diese Richtung dann auch gar nichts zu spüren. Im Gegenteil, er war sehr schnell ein wichtiger Teil dieser Mannschaft und hat auch in einigen Spielen entscheidende Situationen erarbeitet.

Kasperkram war wohl eher dein Metier, Zampe. Du hast die Fans mit deinem Humor und deiner Identifikation schnell für dich gewonnen. Auf diesem Foto sehen wir dich in der Kurve mit Taucherbrille und Schnorchel. Was war da los?

Zampach: Jürgen Klinsmann hat in Tottenham seine Tore mit dem sogenannten „Diver“ [englisch: Taucher, Anm. d. Red.] gefeiert hat. Und da ich nicht so viele Tore geschossen habe, aber auch mal den Diver machen wollte, dachte ich mir, das kann man auch auf diese Weise anstellen. Warum nicht? Das hat damals zu der Truppe gepasst. Ich hatte mal einen Trainer, der sagte, du brauchst drei Typen in einer Mannschaft: Einen Positiven, einen Ernsthaften und einen bekloppten Spaßvogel. Das war dann eben meine Rolle. Wir hatten einen guten Spirit in der Mannschaft.

Weber: Wir haben auch extrem viel privat zusammen unternommen. Wir haben jeden Sieg zusammen gefeiert. Und wir haben ein paarmal gewonnen…

Sobotzik: Mannschaftsabende waren nicht mit vier oder fünf, sondern mit 13, 14 Mann.

Zampach: Ich werde nie einen Mannschaftsabend im Trainingslager in Seefeld vergessen, der uns zusammengeschweißt hat. Ich lag damals mit Urs Güntensperger auf dem Zimmer und der Urs sagte mir schon drei Tage vorher: Am Mittwoch ist Bistro-Eröffnung. Wir sind immer mit den Fahrrädern zum Trainingsplatz gefahren und ich habe mich stets im Ort umgeschaut, wo denn nun dieses Bistro sein soll. Dann kam dieser besagte Mittwoch und Urs sagte wieder: Heute Abend ist Bistro-Eröffnung. Dann komme ich nach dem Abendessen hoch aufs Zimmer und dann saßen da zehn Leute. Da war klar: das Bistro wird auf unserem Zimmer eröffnet (lacht).

Weber: Du konntest uns gerade noch durch die Nebelschwaden sehen (lacht).

Zampach (lacht): Es gab bei uns den einen oder anderen, der ganz gerne eine geraucht hat und der Abend lief dann bis morgens um zwei.

Weber: Da sagt er noch ganz zaghaft: „bis um zwei“…

Zampach (lacht): War es doch bis um vier? Ich weiß es nicht. Jedenfalls war die Bude voll und wir haben erst am nächsten Tag gemerkt, dass Horst Ehrmanntraut ein Stockwerk tiefer und auch nur um ein Zimmer versetzt gelegen hat …

Weber: Das hat er schon registriert. Ich meine, wenn du zum Auslaufen kommst und 15 von 20 Spielern sind nicht so ganz taufrisch …

Zampach: Aber: Kein Ton vom Trainer. Wir sind unsere 20 mal 100 Meter gelaufen und haben auch nach solch einem Abend voll durchgezogen. Das hat die Mannschaft zusammengeschweißt. Die guten Ergebnisse haben noch den Rest dazugetan.

Wann ist das mit dem Fußballgott entstanden, Zampe?

Zampach: Das war nach einem Pokalspiel in Halle. Zu der Zeit hat sich in Frankfurt einiges getan. Die Ultraszene war im Entstehen im G-Block, plötzlich standen sie alle auf der Gegentribüne im Block 29/30. Da war schon immer schön Party. Das hat sich mit dem Fußballgott dann einfach entwickelt. Die Beziehung zwischen Fans und Mannschaft war sehr geeint. Da kam auch in der schwierigen Phase im Herbst starker Rückhalt.

Ein weiteres Indiz für die Qualität der Mannschaft ist die Verteilung der Torschützen. Viele Spieler haben genetzt, es gab keine Abhängigkeit von einer Person. Sobo und Webi, als Mittelfeldspieler wart ihr sogar die erfolgreichsten Torschützen…

Weber: Die Vielseitigkeit der Mannschaft war ein entscheidender Faktor. Sobo und ich hatten ein paar Freistoßtreffer, es war auch mal ein Elfmeter dabei, dazu noch Kopfbälle nach Standards …

Sobotzik: … ich glaube, dass wir beide als Mittelfeldspieler sehr viel von Thomas Epp profitiert haben. Er hat mir ein wenig leidgetan, weil er als Stürmer mit vergleichsweise wenigen Treffern von den Medien hart angegangen wurde. Aber mit seiner Spielweise hat er uns uneigennützig als Wand die Bälle aufgelegt. Der Laie von außen sieht dann nur, wer die Tore gemacht hat, aber für uns als Mannschaft war er unheimlich wertvoll.

Zampach: Das gilt auch für Güntensperger und Westerthaler.

Und sogar du hast ein Tor gemacht, Zampe. Gegen Freiburg. Kannst du dich erinnern?

Zampach: Klar. Ich habe nicht so viele Tore geschossen, dafür kann ich mich an alle erinnern. Das war ein Montagabendspiel. Und wenn die beiden hier es nicht gemacht haben, musste halt jemand anderes in die Bresche springen. Nein, das war ein schönes Erlebnis. Wenn du es als Frankfurter Bub endlich schaffst, mit dem Adler auf der Brust ein Tor zu erzielen, ist das etwas ganz Besonderes.

Weber: Man muss auch sagen, dass wir von den Jungs aus der zweiten Reihe viel Dampf bekommen haben. Die haben uns in den Trainingsspielen oft besiegt und da war klar, dass wir nicht lockerlassen konnten. Wenn ein Edi Martini im Training seinen Tag gehabt hat, hätte man ihn gerade umtreten können.

Sobotzik: Hast du auch ein paar Mal gemacht.

Weber (lacht): Das stimmt wohl.

Am Ende konntet ihr zuhause gegen Mainz 05 vorzeitig den Sack zumachen. Dir, Webi, ist dabei ein besonderes Tor geglückt. Beschreib mal deinen Freistoß zum 1:0.

Weber: Die Torentfernung war relativ groß. Den dann als direkten Freistoß über die Mauer so zu treffen, dass du den Torwart auf seiner normalen Position überwinden kannst, war schwer. Kann schon klappen, war aber unwahrscheinlich. Der lange Kuhnert hat dann seine Mauer einige Zeit lang am Pfosten dirigiert. Vom Schiri kam gar nichts. Also habe ich mir gesagt: gut, dann schießt du jetzt halt. Die Kiste ist frei. Der Ball ging rein, es gab große Aufregung bei Mainz, aber es war regelkonform

Ihr habt dann noch auf 2:0 erhöht, es schien alles für die Party angerichtet. Dann konnte Mainz noch ausgleichen. Große Nervosität beim Publikum und dann, kurz vor Ablauf der 90 Minuten, stürmen die ersten Fans den Innenraum, weil das Remis gereicht hätte. Wie habt ihr das erlebt?

Zampach: Ich habe mich gefragt: was ist jetzt los? Ich will nicht sagen, es wurde dunkel, aber du hast gemerkt, dass sich da draußen etwas tut. Spätestens als mal ein Einwurf gemacht werden musste war klar, dass die Leute am Spielfeldrand standen.

Sobotzik: Bei aller Liebe: das war keine gute Aktion. Es gab noch nichts zu feiern und so lange das Spiel läuft, kann immer etwas passieren. Das macht dich als Spieler nur noch nervöser.

Zampach: Der Schiedsrichter sah sich dann auch genötigt, das Spiel noch vor Ablauf der regulären Spielzeit abzupfeifen. Da denkst du als Spieler: was ist jetzt? Zählt das? Hat das noch ein Nachspiel? Glücklicherweise haben die Mainzer von einem möglichen Protest Abstand genommen.

Weber: Das zog sich aber noch ein paar Tage. Wir haben zwar gefeiert wie verrückt, im Hinterkopf war aber durchaus die Sorge, dass da noch was kommt.

Das Sahnehäubchen war am Saisonende der Gewinn der Zweitliga-Meisterschaft beim 4:2 gegen Fortuna Köln.

Zampach: Horst Ehrmanntraut wollte sie unbedingt gewinnen. Wir waren im Saisonendspurt nachlässig, hatten gegen St. Pauli verloren, gegen Mainz unentschieden gespielt, gegen Zwickau dann wieder nur 1:1 und die Meisterschaft hätte wirklich noch flöten gehen können. Ehrmanntraut hat nicht nachgelassen, er wollte unbedingt als Meister aufsteigen. Gegen Fortuna Köln mussten wir also noch einmal liefern.

Sobotzik: Ich erinnere mich noch daran, dass wir Uwe Bindewald einen Elfmeter haben schießenlassen, damit er sein erstes Saisontor erzielen konnte.

Weber: Und ich war krank zuhause…

Nach Abpfiff hat Herr Zampach wortwörtlich sein letztes Hemd für die Fans gegeben und komplett blankgezogen. Darf man fragen: Was ging eigentlich in deinem Kopf vor? [Foto von dieser Szene auf Seite 44, Anm. d. Red.]

Weber: Ich bin so froh, dass endlich jemand diese Frage stellt: Was geht eigentlich in deinem Kopf vor, Zampe?

Zampach (überlegt): Man kann sich das gar nicht vorstellen, was da in einem vorgeht. Das Erreichen des letzten Ziels, der Zweitliga-Meisterschaft, war eine Riesenbefreiung. Und wenn man schaut, was die Fans in dieser Saison alles auf sich genommen haben, wie sie uns auswärts unterstützt haben, in Cottbus, in Wattenscheid… da waren gefühlt mehr Frankfurter als Heimpublikum. Du läufst deine Runde und wirfst dein Trikot zu den Fans und deine Stutzen und dies und das, vermutlich hätten sie auch meinen Kaugummi genommen. Die Euphorie war so groß, irgendwann hatte ich nur noch meine Hose und die Fans sagten: dann gib halt noch die Hose. Du guckst in die Augen der Leute und denkst: ihr habt alles gegeben für uns, jetzt gebe ich euch alles zurück.

Sobotzik: Und als du dann blankgezogen hast, hast du alle glücklich gemacht.

Zampach (lacht): Sozusagen. Ich werde immer wieder gefragt, ob das eine Wette war, aber das ist Blödsinn, es ist einfach aus der Situation geboren. Wenn das heute einer macht, wird er ein halbes Jahr von der DFL gesperrt. Dafür hätte er dann aber drei Unterhosenfirmen als Werbepartner.

Abschlussfrage an alle: Was hat dieser Aufstieg für Frankfurt bedeutet, was für euch persönlich?

Weber: Weil zu Beginn keiner damit gerechnet hatte, hat es umso mehr bedeutet. Oberbürgermeisterin Petra Roth hat mit uns mitgefeiert, als wäre sie Teil der Mannschaft. Insofern konnte man symbolisch sehen, was das für die Stadt bedeutet hat. Für mich persönlich war es das perfekte Jahr. Nach der schlimmen Verletzung endlich wieder durchgespielt, als Kapitän aufgestiegen und im September darauf wieder in die Nationalmannschaft berufen worden. Top.

Sobotzik: Auch für mich war es eines der schönsten Profi-Jahre. Der Empfang im Römer und die Feier mit den Fans vom Balkon aus werde ich nie vergessen. Der Eintrag ins goldene Buch der Stadt zeigt, wie wichtig das auch für Frankfurt war. Ich bin froh, zu vielen der damaligen Weggefährten noch Kontakt zu haben. Wir haben etwas Einmaliges erreicht und das verbindet natürlich. Wir waren mehr als nur Arbeitskollegen.

Zampach: Mit Mainz 05 habe ich in der zweiten Liga fünf Jahre lang um den Klassenerhalt gekämpft. Wenn du dann als Frankfurter Junge mit der Eintracht aufsteigen darfst, gibt es nichts Schöneres. Für die Eintracht war es extrem wichtig, spätestens im zweiten Jahr zurückzukehren. Du siehst bei anderen Traditionsvereinen was passiert, wenn du den Anschluss verpasst. Man schaue nur nach Kaiserslautern oder zu 1860 München. Für mich war es ebenfalls das schönste Jahr der Karriere und ich bin stolz, den verrückten, positiven Eintracht-Fans etwas zurückgegeben zu haben.