Damals traf der Riese aus der spanischen Hauptstadt als Titelverteidiger im Finale des Europapokals der Landesmeister, dem Vorläufer der heutigen Champions League, auf den erstmaligen deutschen Meister aus Frankfurt. 135.000 Zuschauer in Glasgow erlebten ein Spiel der Extraklasse, das durch die Mythenfiguren Ferenc Puskás und Alfredo Di Stéfano mit 7:3 zugunsten der Königlichen entschieden wurde.
Rudi Bommer war damals gerade zwei Jährchen alt. Ob er seiner Zeit vom Spiel irgendeine Notiz nahm, ist nicht überliefert. Knapp 56 Jahre später war es dem gebürtigen Aschaffenburger jedoch vorbehalten, die Traditionsmannschaft der Eintracht beim „Hero Cup“ in Wetzlar als dienstältester Adlerträger zur Revanche ins Feld zu führen. Die Erstauflage des Hallenturniers, zu dem auch die Altstars des FC Barcelona, 1. FC Köln, Karlsruher SC und von Borussia Dortmund geladen waren, versprach den 2800 Zuschauern in der Rittal Arena jede Menge Nostalgie und wurde sogar live im TV übertragen.
Neben Bommer machten sich Slobodan Komljenovic, Ervin Skela, Thomas Lasser, Uwe Müller, Sascha Amstätter, Frank Gerster, Patrik Falk und Hansi Steinle (Tor) daran, die Farben der Eintracht zu verteidigen. Bundesliga-Legende Charly Körbel nahm als „Coach“ auf der Bank Platz. Gleich im ersten Spiel kam es zur Neuauflage des historischen Finals gegen Real Madrid. Spieler des Kalibers Puskás oder Di Stéfano (mögen sie in Frieden ruhen) waren im Kader des „weißen Balletts“ zwar nicht zu finden, Kapitän José Emilio Amavisca konnte neben Francisco Pavón aber auch so auf die Unterstützung zahlreicher Titelträger bauen, darunter sechs Champions-League-Sieger.
Aganzo wirbelt
Nicht allein aufgrund des internationalen Standings beider Vereine ging die Eintracht als Underdog in die Partie, auch das Durchschnittsalter der Madrilenen lag doch deutlich unterhalb dessen der Frankfurter. Trotzdem: In einem so klangvollen Match, live im Fernsehen, wollte sich natürlich niemand die Blöße geben. Nach anderthalb Minuten hatte „Slobo“ Komljenovic die erste Frankfurter Chance des Spiels, sein Rechtsschuss konnte aber von Madrids Keeper Contreras mit einem starken Reflex zur Ecke abgewehrt werden.
Dann aber übernahmen die Königlichen das Kommando. Die Ecke für die Eintracht verpuffte und im direkten Gegenzug zwang Amavisca Hansi Steinle zu einer starken Fußabwehr, in deren Folge der ehemalige Juniorenweltmeister David Aganzo frei zum Schuss ins leere Tor kam: 1:0 (2.). Die Reaktion folgte prompt. Während TV-Kommentator Thomas Herrmann bereits den Abgesang auf die Eintracht starten wollte, setzte sich Ervin Skela stark auf der linken Seite durch, legte Contreras mit einer Körpertäuschung auf den Hosenboden und verfehlte den Ausgleich nur um wenige Zentimeter.
Wenige Augenblicke später hätte Patrik Falk nach einer herrlichen Kombination über Bommer und Skela das 1:1 schießen müssen. Hätte, hätte, Fahrradkette. Wer die Dinger vorne nicht macht, kassiert sie hinten, das gilt auch in der Halle. Der erst 35-jährige David Aganzo, bis dahin ein ständiger Unruheherd, setzte sich im Zweikampf gegen Rudi Bommer durch und erhöhte erneut mit Links zum 2:0 ins lange Eck (6.). Und es kam noch dicker: Jorge „Tote“ Lopez führte den Ball eine Minute später dynamisch in die Eintracht-Hälfte und Javi Guerrero platzierte seinen Schuss von der linken Bande aus satt im kurzen Eck (7.)
Amstätter hält die Eintracht im Spiel
Das 3:0 konnte so natürlich nicht stehenbleiben und so machte sich Sascha Amstätter postwendend daran, die Aufholjagd einzuläuten: Auf links setzte er sich gleich gegen zwei Madrilenen durch, zog in die Mitte und knallte den Ball mit Macht neben den linken Pfosten zum 1:3 aus Eintracht-Sicht (8.). Unmittelbar im Anschluss trieb Skela den Ball nach vorne, spielte mit Komljenovic über Bande einen sehenswerten Doppelpass und spielte dann mit Contreras „Okocha vs. Kahn“. Der Einzige Unterschied war, dass diesmal ein Verteidiger für den geschlagenen Keeper klären konnte.
Und die Eintracht blieb am Drücker. 30 Sekunden vor dem Ende der ersten Halbzeit war es wieder Skela, der sich in zentraler Position durchsetzen konnte und einen präzisen Schlenzer aufs rechte Eck zirkelte. Contreras war diesmal wieder auf dem Posten und brachte in allerletzter Sekunde noch seine Finger an den Ball, so dass Real Madrid nach vollendeten zehn Minuten die 3:1-Führung in die Halbzeitpause retten konnte. Wie es der Zufall wollte, entsprach dieser Zwischenstand auch dem von Glasgow 1960.
Der zweite Durchgang begann auf beiden Seiten weit vorsichtiger. Die Eintracht hatte sich mit ihren Angriffen sichtlich Respekt verschafft. Mit etwas Fortune hätte Patrik Falk in der 13. Minute auf 2:3 verkürzen können. Stattdessen waren es erneut die Madrilenen, die durch Effizienz glänzten: Daniel Garcia Lara, bekannt als „Dani“, vernaschte Thomas Lasser zehn Meter vor dem Tor und platzierte seinen Abschluss direkt neben dem rechten Innenpfosten zum 4:1 (14.).
Chancenauswertung gibt den Ausschlag
Der Dämpfer kam zur Unzeit und doch war die Messe noch nicht gelesen. Slobodan Komljenovic hatte den erneuten Anschlusstreffer postwendend auf dem Fuß, überraschte freistehend den Torhüter mit seinem ansatzlosen Schuss auf den kurzen Pfosten, verpasste sein Ziel aber um zehn Zentimeter. Kurz darauf küsste ein Distanzschuss Bommers das Aluminium. Ging hier noch was? Die zahlreichen guten Aktionen ließen die SGE weiter an ihre Chancen glauben, erst recht als Thomas Lasser nach Vorlage von Amstätter zum 2:4 eingrätschen konnte (17.).
Ausgerechnet in dieser Druckphase besiegelte ein fahrlässiger Fehlpass von Patrik Falk in der Vorwärtsbewegung der Mannschaft das Schicksal der Eintracht: Real schaltete schnell um, fuhr einen Konter in Überzahl und kam durch Cabrera zum vorentscheidenden 5:2, nachdem Hansi Steinle den ersten Versuch von Javi Guerrero noch klasse parieren konnte. Da standen nur noch zwei Minuten auf der Uhr und die Luft war endgültig raus. David Aganzo und Guerrero konnten den Spielstand in den letzten Sekunden der Partie sogar noch um zwei weitere Treffer erhöhen.
Und so schloss sich der Kreis: Der 7:2-Endstand las sich beinahe wie das historische Ergebnis 56 Jahre zuvor. Leider konnte Real Madrid das Torverhältnis sogar um ein Gegentor weniger verbessern. Es sollte nichts werden mit der Revanche. Bei der Eintracht nahm man die Niederlage aber sportlich: „Es ist immer schön gegen Vereine wie Real Madrid zu spielen. Am Ende war es deutlich, zwischendrin hatten wir aber genügend Möglichkeiten den Ausgleich zu erzielen. Wir haben die Kisten einfach nicht gemacht“, resümierte Bommer nach dem Spiel treffend.
Der Rest des Turniers ist schnell erzählt: Für die Eintracht war nach einer weiteren Niederlage im nächsten Spiel gegen Dortmund Endstation. Real Madrid dagegen spielte sich bis ins Finale. Auf dem Weg dorthin wurde der Erzrivale aus Barcelona im Halbfinale ausgeschaltet, das Endspiel gewannen die Königlichen dann mit 3:2 gegen den 1. FC Köln.