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12.06.2024
Museum

EM-Fachwissen: Slowakei

In den kommenden Tagen bietet das Museum Fachwissen zu allen Nationen, die im Rahmen der EM in Frankfurt spielen. Ulrich Matheja blickt auf die jeweilige Fußballgeschichte und zieht Verbindungen zu unserer SGE.

In den kommenden Tagen bietet das Museum Fachwissen zu allen Nationen, die im Rahmen der EM in Frankfurt spielen.

Diesmal schauen wir auf die Slowakei, die am Montag, 17.06., das erste EM-Spiel in Frankfurt gegen Belgien austragen werden.

Nachdem die Slowakei seit dem Mittelalter zu Ungarn gehört hatte, kam sie nach dem 1. Weltkrieg zur neuen Tschechoslowakischen Republik. Neben einer großen ungarischen Bevölkerungsgruppe, deren Anteil aktuell bei rund 8 % liegt, gab es bis 1945 auch eine größere deutsche Minderheit, die mit 0,1 % aber inzwischen bedeutungslos ist. Trotzdem gibt es für fast alle Orte sowohl slowakische, ungarische und deutsche Namen.

1918 übernahm der 1901 in Prag gegründete Cesky Svaz Footballovy die Organisation des Fußballs. Als Dachverband der Verbände der einzelnen Volksgruppen entstand 1923 die Ceskoslovenska Associace Footballova. In der Slowakei gab es zunächst zwei ungarische Verbände: den Szlovenszkoi Labdarugok Szövetsege (SzLSz), der die Vereine ohne Unterschied der Nationalität vereinen wollte, und den an die vorhandenen ungarischen Strukturen anknüpfende Magyar Labdarugo Szövetseg (MLSz). Da sich vor allem die städtischen Vereine dem MLSz anschlossen, blieb vom SzLSz nur die 1921 organisierte gesamtslowakische Meisterschaft in Erinnerung, die sich der ungarische Kassai AC aus Kosice mit 2:1 gegen den slowakischen SK Zilina holte.

Als ältester noch bestehender Klub der Slowakei gilt der 1898 als Eperjesi TVE gegründete 1. FC Tatran Presov. Ebenfalls 1898 erblickte der Pozsonyi TE aus einem Vorort von Pressburg (ungarisch Pozsony, seit 1919 Bratislava) das Licht der Welt. Als FC Artmedia Petrzalka wurde er 2005 und 2008 slowakischer Meister, stürzte nach 2010 bis in die 5. Liga ab und spielt inzwischen als FC Petrzalka 1898 wieder zweitklassig. Zum erfolgreichsten Verein nicht nur der Zwischenkriegszeit entwickelte sich der 1919 gegründete 1. CSSK Bratislava.

Wie in Österreich und Ungarn blieb auch im tschechoslowakischen Fußball die Provinz lange außen vor. Nur 1922 hatten die Bezirksmeister die Chance, den Meister des mittelböhmischen Bezirks (Sparta Prag) herauszufordern. Als stärkste Mannschaft der drei slowakischen Bezirke erwies sich der 1. CSSK Bratislava, der im Halbfinale jedoch beim SK Hrdadec Kralove mit 2:4 unterlag. Da Sparta die Ostböhmen im Endspiel mit 7:0 überfuhr, wurde das Experiment nicht wiederholt. Erst nach Einführung des Professionalismus 1925 nahmen die Provinzvereine an der Amateurmeisterschaft teil, die sich 1927 und 1930 der 1. CSSK Bratislava sicherte. Dabei waren aus der Slowakei die Meister des slowakischen und des ungarischen Verbandes startberechtigt, die auch einen slowakischen Meister ermittelten. In der 1934/35 eingeführten landesweiten Staatsmeisterschaft waren bis 1938 der 1. CSSK Bratislava (1935-38) und der SK Rusj Uzhorod aus der Karpatenukraine (1935/36) vertreten.

Slowakischer Staat, Tschechoslowakische Sozialistische Republik

In der Nationalmannschaft kam mit Pavol Soral vom 1. CSSK Bratislava erst 1929 ein Slowake zum Einsatz. Daran änderte sich bis 1938 wenig. Nachdem Ferdinand Daucik bei der WM 1934 in Italien, bei der die Tschechoslowakei Vizeweltmeister wurde, nicht zum Einsatz gekommen war, bestritt der inzwischen vom 1. CSSK Bratislava zu Slavia Prag gewechselte Abwehrspieler 1938 in Frankreich alle drei WM-Spiele der tschechoslowakischen Mannschaft.

Durch das Münchner Abkommen 1938 hatte die Tschechoslowakei 1938 die mehrheitlich ungarischen Gebiete in der Südslowakei abtreten müssen. Nach der Unabhängigkeitserklärung der Slowakei im März 1939 ging auch die Karpartenukraine an Ungarn verloren. Der 1. CSSK Bratislava spielte fortan als SK Bratislava in einer slowakischen Liga und wurde dort bis 1944 viermal Meister. Der Slovensky Futbalovy Zvaz wurde 1939 FIFA-Mitglied und bestritt bis 1944 insgesamt 16 Länderspiele, das erste am 27. August 1939 in Bratislava gegen Deutschland (2:0).

1945 wurde die Tschechoslowakei bis auf die Karpetenukraine, die an die UdSSR fiel, wieder in den Grenzen von 1938 hergestellt und bis 1948 in einen kommunistischen Staat umgewandelt (ab 1960 CSSR), in dem die Slowakei eine gewisse Autonomie genoss. Nach Niederschlagung des Prager Frühlings durch Truppen des Warschauer Paktes 1968 wurde eine Tschechische und Slowakische Sozialistische Republik innerhalb der CSSR gebildet. Während die „1. Fotbalova Liga“ weiter bestand, wurde der Pokal jedoch in beiden Landesteilen getrennt ausgespielt. Die beiden Sieger ermittelten anschließend den tschechoslowakischen Pokalsieger.

Die Jahre um den Prager Frühling gehörten zu den erfolgreichsten der slowakischen Vereine in der CSSR. Obwohl Slovan Bratislava bereits zwischen 1949 und 1955 vier Titel geholt hatte und Lokalrivale Slovnaft (ab 1965 Inter) 1959 Meister wurde, trugen sich zwischen 1968 und 1975 ausnahmslos slowakische Klubs in die Meisterliste ein: fünfmal Spartak Trnava und dreimal Slovan. Ein achter Titel folgte 1992. 1969 konnte Slovan außerdem als einziges tschechoslowakisches Team durch ein 3:2 über den FC Barcelona einen Europapokal (den der Pokalsieger) gewinnen.

Die Nationalmannschaft

Auch in der Nationalmannschaft waren Slowaken jetzt Stammspieler. Im WM-Endspiel 1962 in Chile gegen Brasilien (1:3) standen je zwei Akteure von Slovan und Inter auf dem Platz und beim EM-Sieg der Tschechoslowakei 1976 in Belgrad gegen die DFB-Auswahl kamen neun der 13 eingesetzten Spielern aus Bratislava, Kosice und Trnava. Nach der „Samtenen Revolution“ 1989 und dem Ende des Kommunismus trat die Nationalmannschaft bei der WM 1990 in Italien als CSFR (Tschechische und Slowakische Föderative Republik) an. Nach Auflösung der Föderation Ende 1992 entstanden mit dem 1. Januar 1993 die beiden Staaten Tschechien und Slowakei. Während es ab 1993/94 getrennte Ligen gab, wurde die Qualifikation für die WM 1994 in den USA als RCS (Reprezentace Cechu a Slovaku) gemeinsan bestritten.

Obwohl schon 1992 und 1993 viermal unter eigener Flagge und Hymne gespielt wurde, gilt das 1:0 vom 2. Februar 1994 in den Vereinigten Arabischen Emiraten als erstes offizielles Länderspiel der modernen Slowakei. Bei der einzigen WM-Teilnahme 2010 in Südafrika schied man im Achtelfinale gegen den späteren Vizeweltmeister Niederlande aus, nachdem in der Vorrunde Weltmeister Italien mit 3:2 geschlagen wurde. Bei einer EM-Endrunde ist die Slowakei 2024 zum dritten Mal dabei. Bei der Premiere 2016 in Frankreich unterlag das Team im Achtelfinale gegen Deutschland mit 0:3.

National blieb Slovan Bratsilava mit 14 Titeln dominant. Die zweimaligen Meister 1. FC Kosice und Inter Bratislava durchlebten Berg- und Talfahrten. Während Kosice aber inzwischen wieder einen Erstligaklub hat, ist Inter aktuell nur viertklassig.

Frankfurt und die Slowakei

Die Slowakei bestreitet bei der EURO 2024 zwei Gruppenspiele im Waldstadion: das erste gegen Belgien und das letzte gegen Rumänien. Die Eintracht hingegen spielte am 9. April 1967 zum ersten Mal in der Slowakei und unterlag in Trnava der CSSR-Nationalmannschaft mit 1:2. Wenige Wochen wurde gegen Inter Bratsislava der Intertoto-Pokal geholt (3:2 A, n. V. 1:1 H). 1977 gab es ein Wiedersehen mit Inter (2:2 H, 5:2 A). Seitdem gab es 2011 noch zwei Testspiele im Trainingslager gegen den FK Senica (2:1) und MFK Kosice (5:1). 1993 war Marek Penksa, der erste von nur zwei Slowaken im Eintracht-Trikot, beim 5:2-Auswärtssieg in Uerdingen der Pechvogel, der von Trainer Horst Heese als vierter Ausländer eingewechselt wurde. Peter Németh spielte in der Zweitligasaison 2001/02 für die Eintracht.

Marek Penksa spielte 1992 bis 1995 bei der SGE.
Peter Németh spielte in der Zweitligasaison 2001/02 für die Eintracht.