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25.06.2024
Museum

EM-Fachwissen: Rumänien

In den kommenden Tagen bietet das Museum Fachwissen zu allen Nationen, die im Rahmen der EM in Frankfurt spielen. Ulrich Matheja blickt auf die jeweilige Fußballgeschichte und zieht Verbindungen zu unserer SGE.

In den kommenden Tagen bietet das Museum Fachwissen zu allen Nationen, die im Rahmen der EM in Frankfurt spielen.

Diesmal schauen wir auf Rumänien, die am Mittwoch, 26.06., das vierte EM-Spiel in Frankfurt gegen die Slowakei austragen werden.

Rumänien entstand 1859/61 durch Vereinigung der beiden unter osmanischer Oberhoheit stehenden „Donaufürstentümer“ Walachei und Moldau, dessen Unabhängigkeit 1878 auf dem Berliner Kongress bestätigt wurde. Nach dem 1. Weltkrieg konnte das Königreich Rumänien sein Staatsgebiet durch den Erwerb ehemals österreichisch-ungarischer und russischer Gebiete verdoppeln.

Die frühen Jahrzehnte

Auch in Rumänien brachten Engländer den Fußball Mitte der 1860er Jahre ins Land. 1890 kehrte der Zahnarzt Iuliu Weiner von seinem Studium in London mit einem Regelbuch und einem „richtigen“ Fußball nach Arad zurück. In Timisoara wurde ab 1889 Fußball gespielt und ab der Jahrhundertwende auch in Cluj. 1907 wurde hier der heutige CFR Cluj als Kolozvari VSC gegründet. Als ältester Fußballverein des Landes gilt der FC Temesvar (1902), der sich 1936 allerdings auflöste. 1904 entstand Olimpia Bukarest (1910 erster Landesmeister). Mitarbeiter der im Lande ansässigen Erdölgesellschaften gründeten 1906 in Bukarest den Romano-Americana FC (Meister 1915, aufgelöst 1916) und 1909 United Ploesti (Meister 1912, 1916).

An der von der im Oktober 1909 gegründeten Asociațiunea Societăților Atletice din România (ASAR) organisierten Meisterschaft nahmen bis 1921 nur Klubs aus Bukarest, Ploesti und Craiova teil, da Timisoara, Cluj und Arad bis 1920 zu Ungarn gehörten. Nachdem die Fußballsektion der ASAR 1912 als Comisiunea de Football-Asociație Teil der Union der Sportverbände Rumäniens geworden war, entstand am 16. Februar 1930 die heutige Federația Română de Fotbal und übernahm die seit 1923 bestehende FIFA-Mitgliedschaft der CFA.

Durch die Vergrößerung des Staatsgebietes nach dem 1. Weltkrieg erhöhte sich der Anteil nicht-rumänischer Bevölkerungsgruppen von 8 % auf fast 30 %. Vor allem in Siebenbürgen und im Banat lebten große ungarische und deutsche Minderheiten. Obwohl der Fußball-Nationalmannschaft eine wichtige Rolle bei der Herausbildung einer gemeinsamen rumänischen Identität zugedacht war, beim ersten Länderspiel am 8. Juni 1922 in Belgrad gegen Jugoslawien (2:1) aber nur Spieler aus ehemals zu Ungarn gehörenden Städten zum Einsatz kamen, löste dies eine hitzige Debatte über eine „Rumänisierung“ des Fußballs aus. Dabei spiegelte die Selektion nur das Stärkeverhältnis im rumänischen Fußball der 1920er Jahre wieder. Nach Einführung einer landesweiten Meisterschaft 1921/22 holte sich Chinezul Timisoara bis 1928 sechsmal in Folge den Titel und stellte auch das Gros der Nationalspieler. Trotz eines zunehmend von Nationalismus und Zentralisierung geprägten politischen Rahmens spielten bis in den 2. Weltkrieg hinein weiterhin Spieler aus Cluj, Oradea, Targu Mures und Timisoara für Rumänien - alles neu hinzugewonnene Gebiete aus der Zeit nach dem 1. Weltkrieg.

Als 1929 mit dem AFC Venus erstmals wieder ein Verein aus Bukarest die Meisterschaft gewann, bahnte sich eine Wachablösung an. Bis 1941 gingen acht der 13 ausgespielten Titel in die Hauptstadt. Dazu trug sicherlich auch die Konzentration der Spitzenvereine in der 1932 eingeführten landesweiten „Diviza A“ bei. 1930 war Rumänien eines von vier europäischen Teams, das zur ersten WM nach Uruguay fuhr, in der Vorrunde aber nach einem 3:1 gegen Peru und einem 0:4 gegen Uruguay ausschied. Auch 1934 in Italien und 1938 in Frankreich gab es ein frühes Aus in der 1. Runde.

Nach dem 2. Weltkrieg

Der 2. Weltkrieg brachte für Rumänien gravierende Veränderungen mit sich. Zunächst mussten 1940 große Teile der 1920 gewonnenen Gebiete abgetreten werden, darunter Nordsiebenbürgen an Ungarn. Dies führte zu der paradoxen Situation, dass der langjährige Erstligist CA Oradea 1944 unter seinem Gründungsnamen Nagyváradi AC (mit dem jungen Gyula Lorant) ungarischer Meister wurde! Während ab 1941 auf Klubebene nur noch Kriegswettbewerbe stattfanden, blieb die Nationalmannschaft aber bis 1943 aktiv. Mit dem Einmarsch sowjetischer Truppen und der Besetzung des Landes im Sommer 1944 wurde Rumänien allmählich in eine kommunistische Volksrepublik umgewandelt. König Michael musste am 30. Dezember 1947 abdanken und ins Exil gehen.

Beim Neustart der „Diviza A“ 1946/47 waren aus der letzten Meisterschaft 1940/41 nur noch vier Klubs dabei: Rapid Bukarest (als CFR), UD Resita (als Otelul), der FC Craiova sowie Universtitatea Cluj. Außerdem kehrte CA Oradea (als Libertate) zurück und wurde 1949 Meister. Den ersten Nachkriegstitel holte sich das erst 1945 neugegründete ITA Arad (heute UTA). In der Folgezeit kam es zu zahlreichen Vereinsauflösungen, Umbenennungen und Neugründungen. Diese überstanden von den vier 1946 an den Start gegangenen Bukarester Teams nur Rapid (zwischenzeitlich CFR und Lokomotiva). Vizemeister Carmen wurde 1947 aufgelöst und durch den neugegründeten Armeeklub und Steaua-Vorgänger ASA Bukarest ersetzt. Juventus wurde mehrfach umbenannt und 1952 nach Ploesti versetzt und Ciocanul (1919-1940 Maccabi) ging 1948 mit Unirea Tricolor (Meister 1941) in Dinamo Bukarest auf. Auch der achtmalige Meister Venus wurde 1949 aufgelöst und in Timisoara übernahmen CFR (gegründet 1933) und Politehnica (1921) die führende Rolle. 1951 begann die bis 2015 andauernde Dominanz der von Armee bzw. Innenministerium protegierten Bukarester Vereine Steaua (seit 2017 FCSB Bukarest, 27-mal Meister) und Dinamo (18-mal Meister).

Steaua bzw. FCSB Bukarest ist auch der einzige rumänische Europapokalsieger. 1986 parierte Torhüter Helmut Duckadam im Finale der Landesmeister gegen den FC Barcelona im Elfmeterschießen vier (!) Strafstöße. 1989 erreichte der Verein noch einmal im Endspiel gegen den AC Mailand (0:4). Auch die Nationalmannschaft kann wenig Zählbares vorweisen. Bei der WM 1970 sprang in einer Gruppe mit Titelverteidiger England und dem späteren Weltmeister Brasilien nur ein Sieg gegen die Tschechoslowakei (2:1) heraus und auch das „Goldene Team“ der 1990er Jahre um Weltstar Gheorghe Hagi kam nie über das Viertelfinale hinaus. 2024 ist Rumänien zum sechsten Mal seit 1984 bei einer EM-Endrunde dabei, doch auch hier konnte nur einmal (2000) das Viertelfinale erreicht werden. In der UEFA Nations League stieg man 2023 sogar in die Liga C ab.

Die Eintracht und Rumänien

Am 26. Juni wird die rumänische Nationalmannschaft gegen die Slowakei zum dritten Mal Gast im Frankfurter Stadion sein. Am 14. Juli 1940 traf der 19-jährige Länderspieldebütant Fritz Walter beim 9:3 der DFB-Elf gegen Rumänien in Frankfurt dreimal. Bei einem Test von Eintracht Frankfurt gegen die rumänische Nationalmannschaft am 8. September 1965 erzielte Jürgen Grabowski den einzigen Treffer zum 1:0-Sieg der Eintracht. Bei diesem Spiel bestritt Dieter Stinka sein 300. und Torhüter Egon Loy sein 500. Spiel für die Eintracht.

Das Programm zum Spiel der Eintracht gegen Rumänien am 08.09.1965.

Im UEFA-Pokal traf die Eintracht bisher zweimal auf Bukarester Vereine. 1979/80 erzielte Bernd Hölzenbein gegen Dinamo das berühmte Sitzkopfballtor und 1994/95 hieß es nach einem 1:2 bei Rapid im Rückspiel 5:0. Zuletzt unterlag die Eintracht 2009 im Trainingslager in Kärnten dem FC Timisoara mit 0:3.

Ob bis heute noch kein Rumäne bei der Eintracht gespielt hat, ist Ansichtssache. Eugen „Jenö“ Csakany (1923-2006) stammte aus dem rumänischen Cluj, das 1940 aber an Ungarn abgetreten wurde. Bevor er Anfang 1946 zur Eintracht kam, hatte er in seiner Heimatstadt für Victoria und Universitatea Cluj und den Kolosvari AC gespielt. Rumäne oder Ungar? Eine ähnliche Biografie weist auch Alexandru „Elek“ Schwartz auf, von 1965 bis 1968 Trainer am Riederwald. Geboren 1908 im damals ungarischen Temesvar, spielte er bis 1932 bei Kadima und CA Timisoara in Rumänien und war ab 1932 Profi in Frankreich, wo er 2000 als eingebürgerter Franzose im elsässischen Hagenau starb.

Alexandru „Elek“ Schwartz (Mitte) war von 1965 bis 1968 Trainer der Eintracht. Hier im Bild zusammen mit Jürgen Grabowski und Bernd Hölzenbein im Jahr 1978.