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26.10.2021
Museum

Eine Reise nach Weimar und Buchenwald – Tag 3

Die zweite Spurensuche des Museums und der Fanbetreuung führt nach Weimar und Buchenwald. Der letzte Teil handelt vom Besuch eines Mahnmals und des Glockenturms.

Nachdem 2019 die erste Spurensuche, initiiert vom Eintracht Museum und der Fanbetreuung unter tätiger Mithilfe des Fritz Bauer Instituts, Fans der Eintracht ins einstige Ghetto Theresienstadt führte, bildete der Abschluss des zweiten Teils eine Fahrt nach Weimar beziehungsweise ins nahe gelegene ehemalige Konzentrationslager Buchenwald. Die schon länger geplante Reise musste wegen Corona mehrmals verschoben werden. Am Morgen des 8. Oktober ist es endlich soweit. Ein Pkw sowie ein Reisebus setzen sich gegen 11 Uhr am Eintracht Museum in Bewegung, 20 erwartungsvolle Mitfahrende an Bord.

Vor Ort werden sich noch zwei weitere Teilnehmer zur Reisegruppe gesellen. Gute 280 Kilometer Fahrt warten auf die Beteiligten – und das zu erwartende Programm ist eng getaktet. Neben einer Stadtführung durch Weimar direkt nach der Ankunft steht in der Früh des nächsten Morgens der Besuch des ehemaligen Konzentrationslagers an. Für den Abschluss der Reise sieht die Planung einen Abstecher zur Gedenkstätte am Glockenturm in Buchenwald vor, ehe die Heimreise am Sonntag wieder nach Frankfurt führen wird. Mit an Bord sind neben Matze und Beve vom Museum auch Nadine und Julian von der Fanbetreuung sowie Martin Liepach vom Fritz Bauer Institut und Stefan Minden, Vizepräsident des Vereins, der sich schon jahrelang mit der Shoah und deren Folgen beschäftigt.

Das Mahnmal und der Glockenturm

Die letzte Fahrt der Reise sollte die Gruppe an den schon von Weitem sichtbaren Glockenturm führen. Wieder geht es mit dem Reisebus den Ettersberg hinauf, an dessen Südseite die Toten des kleinen Lagers entsorgt wurden. Doch vor Erreichen dieses Ortes führt der erste Weg ganz in die Nähe zu den Ruinen der einstigen Wohnhäuser der Lagerleitung. Erneut begleitet von Ronald Hirte von der Buchenwald-Stiftung. Idyllisch im Wald unterhalb des Konzentrationslagers gelegen, zeugen die Steinreste noch heute von dem luxuriösen Leben der Herrenrasse, während weiter oben das Massensterben mitleidslos und zynisch zelebriert wurde. Autozufahrten wie auch der alte Springbrunnen des Karl Otto Koch sind noch heute sichtbar – die groteske Normalität im Grauen. Wie durch Wunderhand wächst unmittelbar daneben eine Trauerweide. Man sollte sie absägen.

Die Reisegruppe mit den Verantwortlichen des Museums und der Fanbetreuung vor dem Glockenturm.

Einen überschaubaren Fußmarsch durch Waldschattenlicht davon entfernt wacht der 50 Meter hohe Glockenturm über das dazugehörige, zwischen 1954 und 1958 erbaute Gelände. Das Mahnmal, eingeweiht 1958, wurde ganz im Stile des sozialistischen Realismus erbaut. Monumental. Vorbei an sieben Stelen in Erinnerung an die sieben Jahre der Existenz des Lagers führt der Weg in Richtung der Massengräber. Drei davon wurden als ummauerte Ringgräber gestaltet. Vor dem Glockenturm steht das von Fritz Cremer entworfene Denkmal. Zehn Männer und ein Kind, aus Bronze gegossen, verkörpern heroisch den Aufbruch in eine neue Welt. Es symbolisiert die befreiten Insassen, gedeutet als aufrechte Kämpfer der Arbeiterklasse mit weitem Blick in die Ferne gen Westen. Der Holocaust, die jüdischen Opfer, kommen in der DDR-Geschichtsschreibung, ebenso wie Sinti und Roma oder Homosexuelle, wenn überhaupt nur am Rande vor. Im Glockenturm selbst werden Erde und Asche aus anderen Konzentrationslagern aufbewahrt. In römischen Ziffern prangt das Jahr 1945 an der Spitze des Turms. Von dessen Spitze aus fällt der Blick weit ins thüringische Land. Linkerhand weidet eine Schafherde.

Alsbald fahren die Gäste über die Landstraße zurück Richtung Autobahn, der Blick fällt erneut auf den Glockenturm, der nun winzig klein in lichter Höhe thront. Blau der Himmel, ein schöner Herbsttag. Gedankenverloren sitzen alle auf ihren Plätzen, lassen die vergangenen Tage Revue passieren. Voller Eindrücke, Bilder und Erlebnisse purzeln die Gedanken umeinander – und doch werden wir einige Fragen nie final klären: Wie konnte eine vermeintlich zivilisierte Gesellschaft binnen kurzer Zeit in die Barbarei verfallen? Wie konnten aufgeklärte Menschen die Barbarei zulassen? Wie konnten Menschen anderen Menschen das unvorstellbare Grauen angedeihen lassen und gelassen dabei bei romantischem Kerzenlicht Goethe oder Schiller lesen? Und wie können wir verhindern, dass so etwas wieder geschieht? Es scheint ein weiter Weg.