25.07.2025
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Die Eintracht und die USA - Teil 2

Im ersten Teil der Serie beleuchtete Ulrich Matheja die frühen Jahre der Eintracht-Beziehungen zu den USA. Im zweiten Teil beschreibt er die Entwicklung vom Bundesliga-Start 1963 bis zur WM 1994 in den Staaten.

Im zweiten Teil der Reihe beschreibt Ulrich Matheja die Entwicklung vom Bundesliga-Start 1963 bis zur WM 1994 in den Vereinigten Staaten.

Zum Start der Bundesliga 1963 präsentierte die Eintracht mit dem Österreicher Willi Huberts einen Neuzugang, der von 1960 bis 1962 für New York Hungaria gespielt hatte und bis 1970 am Riederwald bleiben sollte. Am 16. Oktober 1963 hatte die Eintracht beim 12:0 gegen die Amateure der Los Angeles Kickers keine Mühe. Immerhin gewannen die Amerikaner 1964 den US Open Cup. In der Vorbereitung auf die Saison 1964/65 gastierte dann Huberts‘ Ex-Klub am Riederwald, dem beim 7:1 allerdings höchstens Regionalliga-Niveau attestiert wurde.

Osterturnier 1965

Über Ostern 1965 nahm die Eintracht am Osterturnier des New York Ukrainian SC teil, dessen Klubfarben rot und schwarz sind. Im Programmheft schrieb Wolfgang E. Besser, Sportkolumnist der deutschsprachigen „New Yorker Staats-Zeitung“: „Eintracht Frankfurt hat viele Freunde hier. [. . .] Mit kaum einem anderen deutschen Klub sind die Verbindungen der Deutschamerikaner herzlicher als gerade mit der Eintracht. [. . .] Mit besonderem Interesse werden die New Yorker Fussballanhaenger auf das Mitwirken von Willy Huberts in der Eintracht warten. Huberts, ein gebuertiger Oesterreicher, spielte ja bekanntlich zwei Jahre in New York fuer die Hungaria und die DAFB-Auswahl. [. . .] Huberts ist zur Zeit Eintrachts fuehrender Torschuetze und eine echte Verstaerkung fuer seine Mannschaft.“ (Die Umlaute „ä“, „ö“ und „ü“ wurden im Text mit „ae“, „oe“ und „ue“ geschrieben, Anm. d. Verf.)

Über Ostern 1965 nahm die Eintracht am Osterturnier des New York Ukrainian SC teil, dessen Klubfarben denen der SGE gar nicht unähnlich sind: rot und schwarz. Bei unserer Eintracht kommt noch weiß hinzu.

Allerdings trug sich nur Erwin Stein gegen Aris Saloniki (1:0) und die Ukrainians (2:0) in die Torschützenliste ein. Das Turnier begann wegen starkem Regen mit einem Tag Verspätung. Im letzten Spiel gegen den AC Florenz hätte der Eintracht schon ein Unentschieden zum Turniersieg gelangt, doch Morrone erzielte in der 72. Minute vor 13.000 Zuschauern das Tor des Tages. Trotz der Niederlage hatte die Eintracht neue Sympathien erworben. Insbesondere Peter Blusch, 1964 von den Sportfreunden Siegen an den Main gekommen, „war mächtig angetan von all dem Neuen, was er in den letzten Tagen gesehen und erlebt hatte. [. . .] Vor allem imponierte ihm, welches Ansehen sein neuer Verein in Amerika genießt. Und das nicht nur beim Deutsch-Amerikanischen Fußballverband mit dem alten Freund August Steuer an der Spitze.“ („Sport-Magazin“ vom 26. April 1965)

Es war das letzte Mal, dass die Eintracht gegen einen DAFB-Klub oder eine DAFB-Auswahl spielte. Die Homepage der Ukrainians erinnert sich: „1965 gab es noch keine MLS. Auch keine NASL oder USL. Dafür gab es die German-American Soccer League, eine Mischung ethnischer Vereine, die sich in und um die fünf New Yorker Stadtbezirke konzentrierten. Die Mannschaften spielten in gottverlassenen Ecken der Stadt, unter Brücken in Brooklyn und in der Bronx, an den Rändern zwischen Schrottplätzen und Werften, Fabriken und Flughäfen. Und es war der beste Fußball Amerikas. »Das waren damals die spannendsten Spiele«, sagte Dr. Joe Machnik, Regelanalyst von Fox Sports. 1965 war er Ersatztorhüter beim Sieg der Ukrainians im US Open Cup. »Es herrschten große Rivalitäten. Das Niveau war hoch. Wir hatten einige großartige Spieler.« Diese Plätze waren die Heimat der Stars der damaligen Zeit: Teams wie New York Hungaria [im Jahr 2000 übrigens aufgelöst, Anm. d. Verf.], vollgepackt mit Profis, die in Folge des Ungarischen Volksaufstands 1956 geflohen waren. Auch die New York Greek Americans, die die meisten einfach nur „die Griechen“ nannten, spielten auf diesen Plätzen, ebenso wie der S. C. Eintracht und viele, viele andere.“ (Übersetzung durch Ulrich Matheja)

Im November 1965 gewann die Eintracht alle Bundesligaspiele: 4:1 gegen Eintracht Braunschweig, 6:1 bei Borussia Neunkirchen und 4:0 gegen Tasmania Berlin. Außerdem besiegte man die ungarische Nationalmannschaft, die sich gerade für die WM 1966 in England qualifiziert hatte, unter Flutlicht im Stadion mit 5:4. Walter Bechtold erzielte dabei vier Tore! Bechtold brachte die Eintracht am 24. November am Riederwald auch gegen eine Auswahl der US Army mit 2:0 in Führung, doch danach verlor die Mannschaft völlig den Faden. Zwar war es bei den US Boys „mit den technischen Mitteln . . . nicht so gut . . . bestellt, doch sie liefen wie ihre großen Sprintervorbilder ununterbrochen und schneller als die Frankfurter [und] standen den Eintracht-Stars fast auf den Füßen. Was in ihre Nähe kam, fetzten sie weg mit dem Eifer von Besessen.“ Am Ende hieß es 3:4 und Trainer Elek Schwartz war bedient. „Zwei Dutzend Amerikaner und zusätzlich eine Handvoll Ersatzspieler vollführten Freudentänze, als das vierte Tor fiel.“ Dabei hatte nur einer von ihnen, „der Stopper Apitz, . . . das Format eines besonders bemerkenswerten Spielers.“ („Frankfurter Rundschau vom 25. November 1965). Aber so ist sie halt die Eintracht, sie zeigte sich einmal mehr von ihrer besten Diva-Seite!

Washington im Mai 1967

Als die Eintracht im Mai 1967 in der Endphase der Bundesliga zu einem Freundschaftsspiel gegen Cruzeiro Belo Horizonte nach Washington reiste, geschah dies im Rahmen einer Werbekampagne für den Profifußball in den USA. Von Ende Mai bis Anfang Juli spielten zehn europäische und zwei südamerikanische Mannschaften in der vom US-Verband und der FIFA anerkannten „United Soccer Association“. Meister wurden die Los Angeles Wolves (Wolverhampton Wanderers) durch ein 6:5 n. V. gegen die Washington Whips (FC Aberdeen). Parallel dazu gab es eine „National Professional Soccer League“, die 1968 mit der „USA“ zur „North American Soccer League“ (NASL) fusionierte. Diese hätte gerne auch ein Team aus der „German American Soccer League“ des DAFB dabei gehabt. Zwar gab es seit den 1930er Jahren ein GASL All-Star-Team namens „Cosmos“, doch beim NASL-Start waren nur die New York Generals dabei. Nachdem sich diese Anfang 1969 aufgelöst hatten, trat New York Cosmos 1971 das Erbe an, übernahm die gold-grünen Vereinsfarben und den ehemaligen Ukrainian-Spieler Gordon Bradley (1933-2008) als Trainer. Der gebürtige Engländer war der Einzige, der Pelé, Franz Beckenbauer (bei Cosmos) und Johan Cruyff (bei den Washington Diplomats) trainiert hat! 1977 änderte auch die GASL ihren Namen in „Cosmopolitan Soccer League“. Obwohl Fußball seit den 1930er Jahren als ethnischer Sport existierte, war die Zeit nicht stehengeblieben und man hatte erkannt, dass die Beibehaltung seiner ethnischen Identität die Akzeptanz in der US-Sportkultur beeinträchtigen würde. Soweit der Ausflug in die US-Fußball-Geschichte.

Das Spiel gegen Cruzeiro Belo Horizonte fand in Washington in einem Baseball-Stadion statt. Ein ungewöhnlicher Spielort für die Eintracht.

Für die Eintracht lohnte sich der Ausflug nach Amerika nur finanziell. 50.000 Mark plus Reisespesen sprangen dabei heraus, wie Holger Obermann am 9. Mai 1967 in einer Nachbetrachtung in der „Frankfurter Rundschau“ schrieb. „Als Diplomaten des Fußballs erwiesen sich in der nordamerikanischen Bundeshauptstadt Washington die Lizenzspieler der Frankfurter Eintracht“. Und August Steuer, inzwischen Ehrenpräsident des DAFB fügte hinzu: „Die Eintracht hat mit diesem Traumspiel dem Fußball in den USA viele neue Freunde gewonnen.“ Gewohnheitsbedürftig war für Torhüter Peter Kunter nur das Spielfeld im Baseball-Stadion der Washington Senators, wo sich Gras und Sand abwechselten.

Sportlich gab es zwar durch Tore von Sztani, Grabowski (2) und Huberts einen 4:3-Sieg (zwei Treffer der Brasilianer erzielte der 1970-Weltmeister Tostao), doch durch den Tanz auf zu vielen Hochzeiten ging der Mannschaft die Kraft aus. Nach der Rückkehr aus Amerika und einem 2:0 beim HSV lag man zwar wieder punktgleich mit Eintracht Braunschweig auf Platz 2 – hatte aber schon 58 Spiele bestritten und Kapitän Dieter Lindner räumte ein: „Wir sind alle sehr müde; es war eine harte Saison, und niemand bei uns mag so recht an eine echte Titelchance glauben“. („Sport-Magazin“ vom 16. Mai 1967) Denn die Akkus waren leer. Am Ende wurde man „nur“ Vierter und verspielte im Halbfinale des Messepokals eine 3:0-Führung aus dem Hinspiel. Da war der Sieg in der Intertoto-Runde nur ein schwacher Trost.

Nordamerikareise 1970

Während sich Jürgen Grabowski im Mai 1970 mit der deutschen Nationalmannschaft auf die WM in Mexiko vorbereitete, startete Trainer Erich Ribbeck am 8. Mai, vier Tage nach dem letzten Bundesligaspiel beim HSV (1:5) mit 16 Spielern auf eine „Traumreise. Fünf Wochen lang. Man sah die Weltausstellung in Montreal, die Niagarafälle, dinierte in Chicago im 86. Stock des gewaltigsten Wolkenkratzers, saß in der Musical-Hall am Broadway in New York, traf überall Freunde der Eintracht und erntete viel Beifall für gute Spiele.“ Für Ribbeck war der Trip nach Kanada und die USA „nicht nur ein großes Erlebnis“, sondern auch „vom sportlichen Standpunkt recht erfolgreich . . . Siege über Celtic Glasgow, Manchester United und den AC Mailand sind schon erfreuliche Dinge.“ („Eintracht Frankfurt Stadionzeitung“ vom 15. August 1970)

Bis zum 5. Juni 1970 trug die Eintracht in Montreal, San Francisco, Los Angeles, Chicago, New York, Philadelphia und Toronto neun Spiele gegen AS Bari (0:0, 1:1, 0:1), Manchester United (1:2, 3:2), Celtic Glasgow (3:1), Newcastle United (0:4) und AC Mailand (5:2, 1:0) aus. 4 Siege, 2 Unentschieden, 3 Niederlagen, 14:13 Tore.

Das Programm zum Spiel der Eintracht gegen Celtic Glasgow am 22.05.1970 in New York.

Horst Heese hielt die Leser der „Frankfurter Rundschau“ während der Reise der SGE mit „Briefen“ auf Stand. Auch er zeigte sich wie drei Jahre zuvor Torhüter Peter Kunter in Washington überrascht vom Stadion in San Francisco: „Kein einziger Stehplatz, sondern ausschließlich Sitzplätze.“ Aufgeklärt wurde er von einem deutsch-amerikanischen Begleiter: „Wenn die Amerikaner bei einem Fußballspiel noch stehen müßten, würde jedes Spiel vor leerer Kulisse stattfinden.“ Er traute auch seinen Augen nicht, als er „mitten auf dem Fußballplatz . . . eine komplette Weitsprunganlage mit einer langgezogenen Anlaufbahn aus Asche und einer mit Sand hoch aufgefüllten Sprunggrube“ sah. „Trotz dieser Widrigkeiten spielten wir am Abend vor 10.000 Zuschauern gegen Manchester United und mußten gegen die mit einem entfesselten George Best spielenden Engländer eine 1:2-Niederlage hinnehmen.“ („Frankfurter Rundschau“ vom 25. Mai 1970). Höhepunkt der Reise war das 5:2 gegen den AC Mailand - vor allerdings nur 6.783 Zuschauern in Chicago. Durch Tore von Huberts, Heese, Hölzenbein (2) und Kalb führte die Eintracht bereits 5:0, ehe Milan in der Endphase noch eine Ergebniskorrektur gelang.

Eintrachtler in der amerikanischen Liga

Danach herrschte 25 Jahre Ruhe. Der Boom der NASL war genauso schnell vorbei wie er gekommen war, doch lockte die Liga ab Mitte der 1970er Jahre auch zahlreiche Bundesligaspieler über den Atlantik. Der bekannteste war sicher Franz Beckenbauer, der 1977 zu New York Cosmos ging.  Aber auch Eintracht-Spieler gingen den Weg in die USA: 1979 heuerten mit Lothar Skala (Chicago Sting), Gert Trinklein (Dallas Tornado) und Michael-Walter Wagner (Los Angeles Aztecs) auch ehemalige Eintracht-Profis in Amerika an. Nach dem Pokalsieg 1981 folgte Bernd Hölzenbein, der nun mit Gerd Müller für die Fort Lauderdale Strikers in Florida auflief. 1984 wurde die letzte NASL-Meisterschaft ausgetragen. Da kickte „Holz“ bereits in der amerikanischen Indoor League. Hölzenbein & Co. waren  aber nicht die ersten Eintrachtler, die ihr Glück in den Staaten suchten. Der aus der Schülermannschaft des FFV gekommene Karl Carmal (1899-1985) wanderte 1926 in die Staaten aus, der Nürnberger Michael Grünerwald, der es 1924/25 bei der Eintracht zum Spielführer gebracht hatte, ging im gleichen Jahr nach New York. Er starb 1974 in Fort Lauderdale.

Moritz Fröhlich war in den 1920er Jahren Schriftführer bei der Leichtathletik-Abteilung der Eintracht und floh in der NS-Zeit aus Deutschland.

Nicht freiwillig verließ Moritz Fröhlich Deutschland. 1922 war der Schriftführer der Leichtathletik-Abteilung von Frankfurt nach Berlin gezogen. Als Jude gelang ihm 1939 mit seiner Familie die Flucht über Kuba in die USA. Dort nahmen sie 1943 den Namen „Gay“ an. Moritz war gut mit dem Eintracht-Spieler Willy Pfeiffer befreundet, der ihm zum Abschied ein Foto mit seinem Sohn auf dem Lohrberg schickte. Moritz‘ Sohn Peter Gay (1923-2015) veröffentlichte 1998 eine Autobiographie unter dem Titel „My German Question. Growing Up in Nazi Berlin“. Ebenfalls als Flüchtling war 1957 der Ungar Janos Hanek nach Frankfurt gekommen, konnte sich bei der Eintracht jedoch nicht durchsetzen, zog weiter in die Niederlande und landete 1968 in der NASL, wo er bis 1970 für die Vancouver Royals und Kansas City Spurs in 63 Spielen 4 Tore erzielte.

Derweil scheiterte die US-Nationalmannschaft regelmäßig in der WM-Qualifikation an den Mexikanern. Selbst als diese 1970 und 1986 als Gastgeber gesetzt waren, erwiesen sich die „Hürden“ Haiti bzw. Costa Rica als zu hoch. Erst 1990 schaffte das US-Team nach 40 Jahren Abwesenheit wieder die Qualifikation zu einer WM-Endrunde. Weiteren Aufschwung für den US Soccer erhoffte man sich durch die Austragung der WM 1994, die den USA 1988 auf dem FIFA-Kongress in Zürich zugesprochen wurde. Eine der Auflagen war jedoch die Errichtung einer professionellen landesweiten Liga. Diese startete allerdings erst 1996 mit zehn Teams. 2025 gehen in der „Major League Soccer“ (MLS) 30 Teams an den Start. Darunter gibt es seit 2011 die „United Soccer League“ (USL) mit aktuell 24 Teams, in der auch Louisville City spielt. Philadelphia Union spielt hingegen seit 2010 in der MLS. Gegen beide Mannschaften tritt Eintracht Frankfurt im Rahmen der Saisonvorbereitung im Juli und August 2025 an. Zwischen den beiden US-Ligen gibt es jedoch keinen Auf- und Abstieg.

Der dritte Teil der Reihe erscheint am 30.07.2025.