Am heutigen 22. Juli startet die Eintracht ins Trainingslager in die USA, wo sie unter anderem auch drei Testspiele bestreiten wird: am 26. Juli in Louisville gegen den englischen Premier-League Klub Aston Villa aus Frankfurts Partnerstadt Birmingham, am 29. Juli beim US-Zweitligisten Louisville City und am 2. August beim MLS-Klub Philadelphia Union. Auch die US-Metropole ist seit 2015 Partnerstadt. Zudem ist es bereits der zwölfte „Ausflug“ der Adler über den „Großen Teich“. Woher wir das wissen? Von Ulrich Matheja, der die Geschichte der SGE wie kein Zweiter studiert hat. Er blickt für uns in drei Teilen zurück auf deutsch-amerikanische Begegnungen. Im ersten Teil geht es um den Zeitraum 1930 bis 1962.
Der DSV Germania Milwaukee im Waldstadion
Begonnen hat alles am 21. Juni 1930 mit dem Gastspiel des DSV Germania Milwaukee im Waldstadion. Wie aber kam es, dass ein Team aus dem Mittleren Westen der USA durch Deutschland tourte?
Seit dem frühen 20. Jahrhundert hatte sich Wisconsin zum „most German of all the American states“ entwickelt. Um 1930 waren rund 40 % der Einwohner entweder in Deutschland geboren oder Deutsch-Amerikaner der ersten Generation. In Milwaukee, der größten Stadt des Staates, gab es deutsche Schulen, deutsche Kirchen, deutsche Brauereien und Restaurants, deutsche Zeitungen und Vereine. Im Fußball („soccer“) dominierten deutsche Klubs den Ligabetrieb. Einer dieser Klubs war der Deutscher Sportverein (DSV). Dessen Sekretär Fritz Rohrmann hatte im Dezember 1929 die Idee einer Tournee nach Deutschland. Mit Ausnahme der US-Nationalmannschaft, die 1916 in Norwegen und Schweden spielte und 1924 und 1928 an den Olympischen Spielen in Paris und Amsterdam teilnahm, waren bis dahin erst zwei Klubteams nach Europa gereist. Bethlehem Steel aus Pennsylvania 1919 nach Schweden und Dänemark und der St. Louis SC 1920 nach Schweden.
Rohrmann knüpfte Kontakte zum Berliner Klub Minerva 93 und soll bei seinen Planungen auch Unterstützung von Dr. Theodor Lewald, dem Präsidenten des Deutschen Reichsausschusses für Leibesübungen, und Dr. Gus[tav] Randolf [Rudolf] Manning, 1900 Mitbegründer des DFB und 1913 Gründer des US-Fußballverbandes, erhalten haben. Da der DSV die Tour nicht alleine stemmen konnte, wurde ein „DSV Germania“ gebildet, der Organisation und Finanzierung der Reise übernahm. Durch Spenden deutschamerikanischer Gönner kamen 10.000 Dollar zusammen, was heute etwa 178.000 Dollar entspricht. Die „Berliner Börsen-Zeitung“ veröffentlichte am 30. März 1930 den Spielplan der Reise. Das für Wien vorgesehene Spiel kam allerdings ebenso wenig zustande wie eine Begegnung beim DFC Prag.
Neben Spielern aus Milwaukee (2), Chicago (2) und New York (7) bestiegen am 14. Mai in New York auch zwei Akteure aus Newark und je einer aus Grand Rapids (Michigan) und Philadelphia die „MS St. Louis“ der Hamburg-Amerika-Linie, das zehn Tage später Cuxhaven erreichte. Unter den 15 Spielern befanden sich mit Willi Falk (DFC New York) und Bernhard Grünfeld (New York Giants) auch zwei in Süddeutschland bekannte Spieler. Falk hatte 1927 für Wacker München ein DFB-Länderspiel bestritten und Grünfeld seit seiner Jugend für die Stuttgarter Kickers gespielt. Beide kehrten Anfang der 1930er Jahre nach Deutschland zurück. Während Falk 1933 der NSDAP beitrat, durfte Grünfeld nach der NS-Machtübernahme nicht mehr für die Stuttgarter Kickers spielen und schloss sich Hakoah Stuttgart an. 1935 wurde er mit der Auswahl des Deutschen Makkabikreises Zweiter bei der Makkabiade in Tel Aviv. 1937 gelang ihm die Flucht nach Argentinien. Das Schiff „MS St. Louis“ erlangte später, im Jahr 1939 durch die sog. „Reise der Verdammten“ traurige Berühmtheit. Da den 937 jüdischen Flüchtlingen an Bord die Einreise sowohl nach Kuba, in die USA und nach Kanada verwehrt wurde, kehrte das Schiff zurück nach Europa, wo 254 Passagiere später Opfer des Holocaust wurden.
Eintracht-Mitglieder erfuhren in der Juni-Ausgabe der „Vereins-Nachrichten“ Näheres über das bevorstehende Spiel in Frankfurt und dass „die deutsch-amerikanische Zeitung »Milwaukee Herold« . . . ihren Sportredakteur [Richard Baumann] als Berichterstatter über die Wettspiele entsandt“ hatte. Die Zeitung veröffentlichte am 1. Juni 1930 auch ein Teamfoto der Mannschaft. Grünfeld steht ganz rechts, Falk ist der Dritte von rechts.
Zu diesem Zeitpunkt hatte der DSV Germania gerade seine ersten beiden Spiele in Deutschland bestritten: 1:2 beim Hamburger SV und 2:1 bei Hannover 96. Es folgten 3:1-Siege bei Minerva 93 Berlin und dem VfL Halle 96 und zwei Tage vor dem Spiel in Frankfurt ein 1:4 beim TSV München 1860. Über das Spiel bei der Eintracht, welches die SGE mit 4:0 gewann, erschien in den Vereinsnachrichten im Juli nur einen Neunzeiler mit Aufstellung. Etwas ausführlicher war „Der Kicker“ am 24. Juni 1930:
„Etwa 1.200 Zuschauer waren am Samstagabend ins Stadion gekommen. Ein Mehrfaches war erwartet worden. Die Reineinnahmen sollten verabredungsgemäß geteilt werden, aber schließlich verzichtete die Eintracht mit einer »beau geste« auf ihren Gewinnanteil von einigen hundert Mark zugunsten ihrer sympathischen Gäste aus Milwaukee. Tatsächlich! Es waren nette und honnette Leute, diese deutschen Stammesbrüder aus dem Staate Wisconsin. Allein ihrer fabelhaften sportlichen Disziplin wegen hätte man ihrem Gastspiel einen Massenbesuch wünschen mögen.“ Doch es herrschten Temperaturen von über 30 Grad! „Übrigens machten die Leute auch spielerisch einen günstigen Eindruck. Sie verkörpern keine Sonderklasse, aber sie beherrschen in recht ansprechender Weise die Kunst mit dem rollenden Ball.“
Gelobt wurden Torhüter Herkert (New York German-Hungarians: „vorzüglich“), Falk (hat „nicht viel von seinem früheren Können eingebüßt“), Halstenbach, der rechte Läufer Sumser und der Halblinke Körner (alle DFC New York). „Das Kopfballspiel der Amerikaner ist gut. Die Balltechnik kann man sich reifer denken, und das Zuspiel wird nicht flach genug durchgeführt.“
Auch das heimische „Milwaukee Journal“ hielt sich kurz und bündig: Ihre „last German appearance“ in Karlsruhe gewann die Germania mit 7:3 beim KFV. Die Bilanz mit vier Siegen und drei Niederlagen bei 17:16 Toren konnte sich sehen lassen. Auch in der Heimat war man zufrieden. Robert Gansler schrieb: „Was die sportlichen Ergebnisse angeht, zeigte sich Germania gegen die hochklassigen Mannschaften seines Heimatlandes äußerst beeindruckend. Verschiedene Zeitungsartikel berichteten, dass die Zuschauer von der Spielqualität der Deutsch-Amerikaner beeindruckt, wenn auch etwas überrascht, waren.“ Während diese zurück in die USA fuhren, war deren Nationalmannschaft auf dem Weg zur ersten WM in Uruguay, wo sie mit zwei 3:0-Siegen gegen Belgien und Paraguay das Halbfinale erreichte, dort aber beim 1:6 gegen den späteren WM-Zweiten Argentinien keine Chance hatte.
Die Goodwill Tour 1951
Nach dem 2. Weltkrieg lag Frankfurt in der amerikanischen Besatzungszone. Die US Army hatte das Waldstadion beschlagnahmt und in „Victory Stadium“ umbenannt. Doch schon am 13. Juli 1946 gab es beim „Tag der Eintracht“ vor 45.000 Zuschauern wieder ein Fußballspiel zwischen der Eintracht und dem VfB Stuttgart (0:1). Hilfreich war dabei sicherlich, dass seit dem 15. Juni 1946 der in Frankfurt geborene US-Oberleutnant Günther Reis 1. Vorsitzender der Eintracht war. Allerdings musste er sein Amt schon Ende des Jahres wieder aufgeben, da er nach Berlin versetzt wurde. Fortan bemühte sich Frankfurts Oberbürgermeister Walter Kolb hartnäckig bei der amerikanischen Militärregierung um die Freigabe des Stadions. Es sollte jedoch bis 1950 dauern, ehe das Gelände wieder an die Stadion GmbH zurückgegeben wurde.
Nur ein Jahr später wurde für die Eintracht der Traum von Amerika Realität. Am 2. Mai 1951 starteten Trainer Kurt Windmann, der Stellvertretende Vorsitzende Christian Kiefer, der Spielausschussvorsitzende Willi Balles und 15 Spieler zu einer vom Deutsch-Amerikanischen Fußball-Bund (DAFB) organisierten USA-Reise. Dafür hatte man sich sogar extra neue Trikots zugelegt: weiße Hemden mit roten Ärmeln und einem rotem Saum an der Knopfleiste. Nach leichten Siegen zum Auftakt gegen eine DAFB-Auswahl in New York (5:2), die Western New York All-Stars in Buffalo (13:1) und die Toledo Turners (5:1) gab es gab es in St. Louis mit 1:2 die erste Niederlage. Für Verwunderung sorgten allerdings die von den Amerikanern praktizierten „fliegenden“ Wechsel. Insgesamt setzten die „Zenthoefer“ 22 Akteure ein, wobei es manchmal auch vorkam, dass zwölf oder 13 Spieler gleichzeitig auf dem Platz standen. Das fünfte Spiel führte die Eintracht nach Milwaukee, wo es ein 5:0 gegen die Midwestern All-Stars gab. Zurück an der Ostküste gab es weitere Siege gegen eine deutsch-ungarische Auswahl aus Brooklyn (5:0) und eine DAFB-Auswahl aus New Jersey (5:0). Die Tournee endete in New York mit einem 1:3 gegen Celtic Glasgow. Nach Wlokas Führungstreffer in der 1. Minute fielen die Schotten allerdings mehr durch übertriebene Härte als durch spielerischen Glanz auf.
Die Reise über den „Großen Teich“ war ein voller Erfolg. Anders als beim Auftritt des Hamburger SV im Jahr zuvor gab es keine anti-deutschen Demonstrationen. Die „Eintracht Hefte“ vom Juli 1951 widmeten dem USA-Trip mehrere Seiten.
Trainer Windmann fasste die Stimmung wie folgt zusammen: „Wir sind unendlich dankbar für alles, was uns während unseres Aufenthaltes in den Staaten geboten wurde. Wir sind auch überzeugt, dass wir solch ein großes Erlebnis in unserem Leben wahrscheinlich nicht mehr haben werden. Wir werden einige Dinge wieder aus dem Gedächtnis verlieren, aber wir werden nicht vergessen, dass uns die Deutschen in Amerika nach dem Krieg die Hand der Freundschaft gereicht haben. Wir waren in Amerika keine geduldeten Gäste, sondern überall herzlich willkommen. Das wurde auch nach außen hin durch die Empfänge bei den Stadtoberhäuptern dokumentiert. Und weil diese Tatsache gar nicht so selbstverständlich war, wissen wir sie besonders zu schätzen. Dank unseren Gastgebern, Dank unseren amerikanischen Freunden, Dank der Eintracht, die die Reise arrangierte! Uns blieb darum nichts anderes übrig, als uns in USA so zu benehmen, dass der Ehrenpräsident des D. A. F. B., August Steuer, uns zum Abschied zugerufen hat: »Bessere Jungs konnte der deutsche Sport nicht herüberschicken.«“
Die Reise „löste auch eine Welle der Hilfe und Unterstützung für unsere durch den Krieg heimatlos gewordene »Eintracht« aus. Durch eine sehr namhafte Spende . . . wurde der Grundstein zu unserer neuen Tribüne gelegt. Eine bronzene Ehrentafel in der Eingangshalle derselben wird die Erinnerung an die Amerika-Reise für immer verewigen“ (aus "60 Jahre Eintracht"). Heute ist die Plakette im Eintracht-Museum zu sehen. Tatsächlich leistete die sogenannte Goodwill-Tour der Eintracht einen entscheidenden Beitrag, um das im 2. Weltkrieg zerstörte Riederwaldstadion neu aufzubauen - Spendengelder in Höhe von 50.000 Dollar brachten die Adlerträger mit zurück nach Hessen. Mindestens genauso wichtig war auch die völkerverbindende Funktion des Aufenthalts.
Zweimal noch spielte die Eintracht gegen eine DAFB-Auswahl. Am 3. August 1960 unterlag sie am Riederwald nach einer 5:1-Halbzeitführung noch mit 5:6 und am 12. Juni 1962 gab es zum Abschluss einer Weltreise, die die Eintracht über Athen, Malaysia, Thailand und Hongkong nach Amerika geführt hatte, in New York ein 4:1. Zuvor hatte man bereits ein Spiel in San Francisco ausgetragen (3:2), nach dem langen Flug über den Pazifik aber eine enttäuschende Leistung geboten. Der Weg von der West- an die Ostküste führte über Kanada, wo man zweimal gegen Sheffield United (1:4 in Vancouver und 0:4 in Toronto) verlor, dazwischen aber die Manitoba All-Stars in Winnipeg mit 6:1 besiegte.
Weiter geht es am 25.07.2025 mit Teil 2 der Historie.