06.12.2023
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Die Anfangstage des Pokalwettbewerbs

Wenn die SGE heute im Pokal-Achtelfinale beim 1. FC Saarbrücken antritt, kann sie auf zahlreiche Unterstützung zählen. Doch es gab auch andere Zeiten. Ulrich Matheja blickt auf die Anfangstage der Wettbewerbe.

2018 gewann die Eintracht zuletzt den DFB-Pokal. Wir blicken heute einmal auf die frühen Zeiten der Pokalwettbewerbe.

Wenn die Eintracht heute im Pokal-Achtelfinale beim 1. FC Saarbrücken antritt, kann sie auf die Unterstützung von rund 2000 Fans im Ludwigspark und Zehntausenden vor den TV-Geräten bei der Live-Übertragung zählen. Doch es gab auch Zeiten, da liefen Pokalspiele fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit ab – und passten kaum in den engen Terminplan.

Der süddeutsche Verbandspokal

Doch zunächst eimal zurück zum Anfang. "Der im Laufe des ersten Weltkrieges aufgetretene Mangel an zugkräftigen Spielen veranlasste den Verbandsvorstand, im Jahre 1917 den Süddeutschen Verbandspokal zu stiften." Soweit berichtet die Jubiläumsschrift „60 Jahre Süddeutscher Fußball-Verband“ auf Seite 210. Das vierte Kriegsjahr hatte gerade begonnen, es herrschten Lebensmittelknappheit und Hunger, der Eisenbahnverkehr war eingeschränkt, Kriegsmüdigkeit machte sich breit und den Vereinen gingen die Spieler aus. So war am 9. Juni 1917 in den Frankfurter Nachrichten zu lesen, dass „die erste Mannschaft des bis zum Kriegsausbruch unbezwingbaren Nordkreismeister des Frankfurter Fußballvereins . . . aus lauter jungen Spielern“ bestehe. „Von den früheren beiden ersten Mannschaften sind sämtliche Spieler im Felde.“

Kein Wunder, dass sich das Interesse an den Pokalspielen in Grenzen hielt und die Meldefrist bis zum 3. September 1917 verlängert werden musste. Am Ende gingen 54 Meldungen (48 aus der ersten und sechs aus der zweiten Klasse) beim Verbandsvorstand ein, davon sieben aus dem Nordkreis, der das Rhein-Main-Gebiet umfasste: Der Eintracht-Vorgänger Frankfurter FV, der FSV Frankfurt, Helvetia Bockenheim, FV und Viktoria Neu-Isenburg, TV 1843 Offenbach und Viktoria Aschaffenburg.

Der FFV hatte am 14. Oktober 1917 in Neu-Isenburg beim dortigen Fußballverein anzutreten, den er noch drei Wochen zuvor im Meisterschaftsspiel glatt mit 7:0 geschlagen hatte. Doch diesmal ging der Schuss nach hinten los. Da der FFV verspätet in Neu-Isenburg eintraf, waren die Pokalträume vorbei ehe sie richtig begonnen hatten, die Mannschaft wurde disqualifiziert. Es passte ins Bild, dass auch das stattdessen ausgetragene Freundschaftsspiel wegen strömenden Regens beim Stand von 1:0 abgebrochen werden musste. Nordkreispokalsieger 1918 wurde der FSV, der sich danach aber in der Endrunde der vier Kreispokalsieger beim seit 1914 amtierenden Deutschen Meister SpVgg Fürth geschlagen geben musste.

Das Spiel um den süddeutschen Pokal verlor der FFV mit 2:3.

Ein Jahr später machte man die Sache besser. Durch Siege gegen Viktoria 94 Hanau und Viktoria Neu-Isenburg  erreichte der FFV das Endspiel. Eigentlich war es ein Wunder, dass die Pokalspiele wie geplant ausgetragen wurden, denn am 9. November 1918 war in Berlin die Republik ausgerufen und der Thronverzicht von Kaiser und Kronprinz verkündet worden. In Frankfurt hatte in der Nacht vom 8. auf den 9. November 1918 „ein Arbeiter- und Soldatenrat . . . die öffentliche Gewalt in seine Hände gebracht“, eine nächtliche Ausgangssperre verhängt und „sämtliche öffentlichen Lokale (Wirtschaften, Cafés, etc.), Theater, Kinos und andere derartige Veranstaltungen“ ab 19 Uhr schließen lassen, berichtete die Frankfurter Zeitung. Dennoch trat der FFV am 17. November 1918 gegen Neu-Isenburg an und gewann mit 3:0. Das Endspiel gegen den FC Britannia (später FFV Sportfreunde 04) fand am 9. Februar 1919 statt. Der Frankfurter Fußball-Verein unterlag mit 2:3.

Der Name "Eintracht" kommt ins Spiel

In der Endrunde scheiterten die „Speuzer“ im August zwar mit 0:2 beim 1. FC Nürnberg, hatten aber durch ihre Leistung die Frankfurter Turngemeinde von 1861 auf den Plan gerufen. Da ihr Sportplatz in Griesheim in der französisch besetzten Zone lag, spielten die "Speuzer" auf dem Platz der Frankfurter Turngemeinde von 1861 an Riederwald. Die Turngemeinde war auf der Suche nach einer schlagkräftigen Fußballmannschaft und bot eine Fusion an, Britannia lehnte ab, da der Platz zu weit von der eigentlichen Heimat entfernt lag. Im Mai 1920 hatte schließlich der Frankfurter Fußball-Verein damit weniger Probleme, zog an den Riederwald, und durch die Fusion mit der Turngemeinde entstand unsere Eintracht.

Mit der Rückkehr zu „normalen“ Ligaspielen mit anschließenden Endrunden um die Süddeutsche und Deutsche Meisterschaft in der Saison 1919/20 verloren die Pokalspiele stark an Interesse, da es zu einer „Kollision . . . mit den Verbandstreffen und [einer] Konzentration der spielstarken Vereine auf die Meisterschaft“ kam, bilanzierte der Süddeutsche Fußballverband. "Der Fußball" nannte am 28. Juli 1920 „einige unserer führenden Vereine“, die „bedauerlicherweise zum Verzicht auf die Pokalspiele oder zum Antreten mit einer Ersatzmannschaft gezwungen“ waren (Nürnberg, Fürth, Bayern München, Frankfurter Fußball-Verein). Das traf aber nur für die Spitzenvereine zu, denn insgesamt versechsfachte sich die Anzahl der am Pokal teilnehmenden Mannschaften nach Kriegsende.

Allerdings haperte es mit der Übermittlung der Ergebnisse. So liegen vom 8:0 des FFV gegen den TV 1860 Aschaffenburg-Damm nur ein paar Zeilen aus lokalen Zeitungen vor. Am 16.Juni 1920 kritisierte "Der Fußball" deshalb, dass die „ganze Pokalserie . . . an Unübersichtlichkeit leide. Es wäre vorteilhaft, dass die festgesetzten Spielsonntage prompt eingehalten würden und eine Zentralstelle jederzeit über den Stand Auskunft zu geben in der Lage wäre.“ Schließlich sei der Pokal „die demokratischste aller unserer sportlichen Veranstaltungen und infolgedessen mit diejenige, die alle gleich interessiert.“

Kritik am Pokalwettbewerb 1920 im der Zeitschrift "Fußball".

Es gab aber auch andere Gründe, die für das Terminchaos sorgten. So sollte die 2. Pokalrunde im Nordkreis eigentlich bereits am 21. März stattfinden. An diesem Tag spielte der FFV aber in der Süddeutschen Meisterschaft zu Hause gegen den 1. FC Nürnberg (0:0), eine Woche zuvor hatte er mit 0:4 beim „Club“ verloren. Zu dieser Zeit stand Deutschland wegen des sogenannten Kapp-Putsches am Rand eines Bürgerkrieges. In Frankfurt hatte es am Samstag vor dem Spiel in Nürnberg bei Schießereien 14 Tote und mehr als 100 Verletzte gegeben. Kaum war die Gefahr für Republik und Demokratie abgewendet, rückten am 6. April 1920 französische Truppen nach Frankfurt ein und hielten die Stadt bis zum 17. Mai besetzt.

Ankündigung des Spiels gegen Offenbach in der Süddeutschen Meisterschaft im Jahr 1920.

Am 11.und 18. April 1920 spielte der FFV in der Süddeutschen Meisterschaft gegen Kickers Offenbach und am 25. April ging endlich das Pokalspiel gegen Viktoria Neu-Isenburg (2:0) über die Bühne. An diesem Tag hätte eigentlich bereits die 3. Pokalrunde mit dem Spiel gegen den SC 07 Bürgel stattfinden sollen. Doch es gab Terminprobleme:  Am 2. Mai trug der FFV ein Freundschaftsspiel gegen den SV Wiesbaden aus, am 9. Mai fand ein Städtespiel Frankfurt gegen Offenbach statt und am 16. Mai unterlag der inzwischen zur Eintracht fusionierte FFV in der Süddeutschen Meisterschaft mit 3:4 gegen Waldhof Mannheim. Wann also hätte FFV/Eintracht im Pokal gegen den SC 07 Bürgel spielen sollen? Die Recherchen lassen nur einen Schluss zu: FFV/Eintracht hat auf eine weitere Teilnahme am Pokal verzichtet und das besagte Spiel gegen Bürgel hat nie stattgefunden!

Noch kein wichtiger Wettbewerb

Auch in den Folgejahren wurde der Pokal bei der Eintracht nicht ernst genommen. Da am 20. Februar 1921 ein Wiederholungsspiel in der Meisterschaft gegen Helvetia Frankfurt stattfand, in dem sich die Eintracht erneut die Nordmain-Meisterschaft sicherte, wurde die Reserve zum Pokalspiel bei Kickers-Viktoria Mühlheim geschickt und unterlag mit 1:3. Damit befand sich die Eintracht in guter Gesellschaft, denn auch der Deutsche Meister 1. FC Nürnberg und die SpVgg Fürth erlitten mit ihren Reserven Schiffbruch.

1921/22 kam es noch ärger. „Anstelle unserer Ligaelf, der wir einen wohlverdienten Ruhesonntag gaben, stellten wir am 13. November 1921 unsere Schupo-Mannschaft, da unsere 2., 3. und 4. Mannschaften ihre Verbandsspiele fortzusetzen hatten. Die noch etwas unfertige Schupo unterlag mit 1 zu 2 Toren“, berichteten die Eintracht-Mitteilungen im November 1921.

Aber auch die 1. Mannschaft konnte keine Pokal-Geschichte schreiben. Außer 1923/24, als das Viertelfinale erreicht wurde, verabschiedete man sich immer früh aus dem Wettbewerb. 1922/23 durch ein 5:6 bei Kickers Offenbach (1. Runde), 1924/25 durch ein 0:2 bei Germania 94 Frankfurt, 1925/26 durch ein 1:2 beim FSV Frankfurt (jeweils 2. Runde) und 1926/27 nach zwei Freilosen durch ein 2:3 beim FK Pirmasens in Runde 3. Danach wurden die Spiele um den Süddeutschen Pokal eingestellt. 1931/32 und 1932/33 ermittelten die Dritt- bis Achtplatzierten der erstklassigen Bezirksligen in einer einfachen Runde die Bezirkspokalsieger, die dann den Süddeutschen Pokalsieger ausspielten. Dieser nahm an der Qualifikation für den dritten Südvertreter an der Deutschen Meisterschaft teil. Die Eintracht nahm in beiden Jahren als Mainmeister bzw. Zweiter nicht an den Pokalspielen teil.