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19.10.2015
Traditionsmannschaft

„Das sind die Momente, für die man als Fußballer lebt“

Ervin Skela zog zwischen 2001 und 2004 die Fäden in der Eintracht-Offensive. Der 38-jährige Albaner erlebte mit der SGE von der drohenden Insolvenz 2002 über den dramatischsten aller Aufstiege gegen Reutlingen 2003 bis hin zum Bundesliga-Abstieg 2004 eine der intensivsten Achterbahnfahrten der jüngeren Vereinsgeschichte und drückte dieser Zeit mit seinen 26 Liga-Toren den eigenen Stempel auf.

Seit diesem Jahr gehört Skela zur Traditionsmannschaft der Eintracht. Im Interview spricht er über das Zusammenspiel mit ehemaligen Weggefährten, Karriere-Highlights und den heutigen Gegner aus Mönchengladbach.

Ervin, nach mehr als zehn Jahren hast du dir wieder das Trikot der Eintracht übergestreift und dich der Traditionsmannschaft angeschlossen. Wie ist das gekommen?

Mein Herz hing immer an der Eintracht, auch als ich den Verein 2004 verlassen habe. Ich habe in der Vergangenheit oft betont, dass es ein Fehler war zu gehen, dazu stehe ich auch. Ich wollte schon als Spieler wieder zurückkommen, habe aber leider keine zweite Chance bekommen. Trotzdem stand für mich immer fest, dass ich ins Rhein-Main-Gebiet zurückkehren werde. Hier habe ich mich mit meiner Familie am wohlsten gefühlt. Hier haben wir viele Freunde und Bekannte. Ich wohne mittlerweile seit zwei Jahren wieder in der Region. Der Kontakt zur Eintracht kam dann über Oka Nikolov und Charly Körbel zustande.

Mit deiner Technik und Schnelligkeit hast du dich gleich zum Pfeiler des Erfolges der Tradi in diesem Jahr entwickelt. Fast als wärst du nie weg gewesen…

Ich bin der Jüngste in der Traditionsmannschaft und sportlich auch noch sehr aktiv. Das macht es natürlich leichter auf dem Platz. Ich bin von den Jungs super aufgenommen worden und es macht mir riesen Spaß, mit alten Mitspielern wieder auf dem Platz zu stehen. Da ist immer noch eine große Qualität im Kader. Auch wenn wir uns gegen jüngere Spieler manchmal schwerer getan haben,  am Ende sind wir aber ungeschlagen geblieben.

Viele Traditionsspieler schwärmen vom herzlichen Empfang in der gesamten Region. Was hat dir bislang am besten gefallen?

Für mich persönlich ist es ein Erlebnis wieder gefragt zu sein. Die Leute wollen Autogramme und Fotos, sie kommen auf dich zu, erkundigen sich nach dir. Es ist für mich ein super Gefühl, wenn man den Leuten eine Freude machen kann. Besonders das Spiel zur Hundertjahrfeier in Bergen war ein echtes Highlight. Da hat man sich fast wieder wie ein Bundesligaspieler gefühlt.

Neben den Spielen der Traditionsmannschaft bist du seit kurzem auch als Coach in der Fußballschule der Eintracht aktiv. Wie gefällt dir die Arbeit mit den Kids?

Fußball war mein Leben und wird immer mein Leben bleiben. Dass ich jetzt wieder näher an der Eintracht bin, durch die Traditionsmannschaft und die Fußballschule, das ist für mich eine super schöne Sache. Es macht riesen Freude mit den Kindern. Wenn die Camps vorbei sind und wir von den Kindern und ihren Eltern umarmt werden, ist das eine Riesensache und macht mich sehr glücklich. Vor kurzem war ich auch in China mit der Fußballschule, das war auch eine tolle Erfahrung. Ich bin Charly Körbel und Oka Nikolov sehr dankbar, dass ich dabei sein darf.

Sprechen wir über deine Karriere. Du hast mit der Eintracht unglaublich turbulente Jahre durchlebt. Welche Erinnerungen hast du an diese Zeit?

Charly Körbel hat sich sehr dafür eingesetzt, dass ich damals von Waldhof Mannheim zur Eintracht gekommen bin. In meiner ersten Saison unter Martin Andermatt befand sich die Eintracht in einer sehr schwierigen Situation. Wir hatten viele Verletzte, große finanzielle Probleme, der Sponsor war weg. Im zweiten Jahr ging es genauso weiter, die Lizenz war kurzzeitig entzogen, wir waren fast insolvent. Vielen Spielern wurden die Gehälter gekürzt, auch mir. Das habe ich akzeptiert. Mir wurde später, als ich weggegangen bin,  vorgeworfen, dass es mir nur um das Geld ginge. Ich habe hier aber auch viel mitgemacht. Das muss man auch sehen, das waren ganz andere Zeiten.

Trotz aller Widrigkeiten habt ihr in dieser Saison 2002/2003 eine beachtliche Leistung erbracht…

Als Willi Reimann kam, waren wir nur 16 Spieler. Gott sei Dank hatten wir bei dem dünnen Kader Glück, dass sich keiner verletzt hat. Die Leute, die bei der Eintracht geblieben waren, wie Alex Schur oder Uwe Bindewald, und die, die dann geholt wurden, wie Jens Keller… das waren Typen, da war Charakter da. Wir waren vielleicht nicht die Mannschaft mit der größten fußballerischen Qualität, aber wir hatten Herz.

Mit Herz und Leidenschaft habt ihr am Ende der Saison den dramatischen Aufstieg im Fernduell mit Mainz errungen. Was geht in dir vor, wenn du an das 6:3 im Endspiel gegen Reutlingen denkst?

Wenn ich an das 6:3 denke und die Bilder sehe, da kriege ich immer wieder Gänsehaut. Das Stadion war noch im Bau aber trotzdem herrschte eine unglaubliche Atmosphäre. Ich dachte das Stadion wird auseinandergenommen, als das entscheidende Tor fiel. Das war Ekstase pur, das ist unbeschreiblich, das kann man nur begreifen, wenn man es erlebt hat. Die Emotionen waren so intensiv, dass ich nach dem Spiel auf dem Platz einfach nur geweint habe. So etwas habe ich nur zweimal in meinem Leben gehabt: Mit der Eintracht beim 6:3 und mit der albanischen Nationalmannschaft, als wir Europameister Griechenland 2:1 in der Quali besiegt haben. Das sind die Momente, für die man als Fußballer lebt.

Dem sensationellen Aufstieg folgte ein ernüchterndes Jahr in der 1. Bundesliga. Am Ende konnte der Abstieg nicht abgewendet werden. Wie hast du die Saison erlebt?

Für mich persönlich war es zunächst ein Highlight überhaupt in der höchsten Liga zu spielen. Ich konnte testen, ob ich in der Bundesliga bestehen kann. In dem Jahr habe ich acht Tore geschossen, das erste gleich zum Auftakt gegen Bayern München und Oliver Kahn. Leider hatten wir insgesamt einfach zu wenig Qualität in der Breite des Kaders. In der Winterpause haben wir zwar Amanatidis geholt, der nochmal einen Schub gebracht hat, aber das hat nicht gereicht. Wir hatten viele gute Leute mit top Charakter, mit Herz und Willen. Dass wir uns überhaupt bis zum letzten Spieltag die Möglichkeit zum Klassenerhalt erhalten haben, zeugt von der Leidenschaft des Teams. Immer mal wieder konnten wir für ein, zwei Spieltage die Abstiegsränge verlassen, aber im Grunde steckten wir die ganze Saison über unten drin und sind auch zu Recht abgestiegen.

An Gladbach hat das nicht gelegen. Der heutige Gegner der Eintracht lieferte die vollen 6 Punkte ab. Im Rückspiel zuhause hast du sogar getroffen…

Es war ein ganz wichtiges Spiel, weil wir lange nicht mehr zuhause gewonnen hatten. Die Vorrunde war ganz schlecht gelaufen, wir hatten auf dem letzten Platz überwintert. In die Rückrunde waren wir aber gut gestartet. Mit dem Punktgewinn gegen die Bayern und den Siegen in Leverkusen und Berlin hatten wir uns wieder herangekämpft und konnten nun erstmals seit langer Zeit die Abstiegsplätze verlassen. An mein Tor erinnere ich mich noch gut: Jörg Stiel war damals der Torhüter bei Gladbach. Wir bekamen einen Freistoß an der Ecke des Sechszehners. Ich habe darauf spekuliert, dass Stiel denkt, ich würde über die Mauer schießen, weil ich das zuvor immer so gemacht hatte. Vielleicht hatte er das ja mitbekommen. Ich hoffte, dass er den Schritt in Richtung kurzes Eck macht und so ist das auch gekommen. Der Schuss war gar nicht so fest, eher wie eine Flanke, aber er hat genau gepasst. Das war natürlich Glück für mich.

Aktuell spielt Gladbach in der Champions League und scheint sich vom verpatzten Saisonstart erholt zu haben. Wie schätzt du die Fohlen ein?

Die Entwicklung der letzten Jahre ist erstaunlich. Vor vier Jahren haben sie sich in letzter Sekunde gerettet, waren eigentlich schon weg. Und dann plötzlich, ein Jahr später, kommt der Erfolg, die Champions-League-Quali, gute Spieler, neues Stadion, finanzieller Aufschwung, alles passt. So ist das halt im Fußball. Jetzt ging der Saisonstart in die Hose, nachdem Lucien Favre die Mannschaft so lange gepusht hatte. Aber mit dem neuen Trainer scheint die gleiche Mannschaft wieder in die Spur gefunden zu haben.

Wie ist das zu erklären?

Das ist schon komisch. Aber da sieht man, dass Fußball eben Tagesgeschäft ist. Man arbeitet täglich hart und wenn dann über längere Zeit die Erfolge ausbleiben, verzweifelt man als Spieler irgendwann. Dann kommt ein neuer Trainer und das ist natürlich für alle nochmal ein Neuanfang. Auch für die Spieler, die unter dem alten Trainer zuletzt nur die zweite Geige gespielt haben. Da wird wieder Vollgas gegeben, die Konkurrenz macht Druck und nach dem ersten Sieg merkt man: Es geht doch! Das ist reine Kopfsache. Man kommt wieder ins Rollen. So auch Gladbach.

Was erwartest du vom Spiel Eintracht gegen Gladbach?

Das wird ein harter Brocken für die Eintracht. Gerade jetzt, wo wir in Ingolstadt nicht gezeigt haben, was wir können. Aber das ist eben die Eintracht: Mal spielst du schlecht, dann wieder berauschend. Wenn ich mir die Saison bislang anschaue, zeigt sich, dass es bei allen Vereinen außer Bayern auf die Tagesform ankommt. Die Chancen stehen 50:50. Wenn die ersten Aktionen gelingen und man frühe Tore schießt, wie gegen Köln, dann entfesselt das das Selbstvertrauen und der Gegner wird gleichzeitig immer kleiner und merkt: Heute läuft‘s nicht. Dann kann man auch gegen Gladbach hoch gewinnen. Man kann aber auch eine Klatsche kassieren, weil in der Bundesliga das Niveau einfach sehr ausgeglichen ist.

Was wird den Ausschlag geben?

Unser Abwehrverhalten. Als Spieler wollte ich immer eine offensive Ausrichtung der Mannschaft. Jetzt sehe ich aber, dass die Trainer Recht hatten als sie sagten, die Spiele werden durch die Defensive entschieden. Wenn wir den Gladbachern Räume geben, haben wir keine Chance, denn da sind sie richtig gefährlich. Außerdem muss auch mal jemand anderes treffen als Alex Meier. Er kann nicht in jedem Spiel die Tore machen. Schön, wenn er es tut, aber die anderen sind auch gefragt. Das Fehlen von Seferovic hat in den letzten Spielen schwer gewogen. Ich hoffe auf einen Sieg und tippe auf 2:1.