22.10.2012
Klubmagazin

Charly Körbel: "Gerd Müller, mein Lieblingsgegenspieler"

Vorige Woche, vor 40 Jahren, feierte Charly Körbel sein Bundesligadebüt. Wir haben uns mit dem Bundesliga-Rekordspieler über sein erstes Spiel unterhalten:

In jenem Spiel, am 14.10.1972, traf die Eintracht auf Bayern München und der Gegenspieler vom damals 17-jährigen Charly war kein geringerer als Gerd Müller.

Hallo Charly, 40 Jahre ist dein Profi-Debüt schon her, was sagst Du dazu?
Ehrlich gesagt war mir das Datum gar nicht so bewusst und ich wurde erst durch Kollegen darauf aufmerksam gemacht. Als dann die Zahl 40 fiel, bin ich erst mal erschrocken und dachte: Wo ist nur die Zeit geblieben? Aber mit dem Bewusstsein kommen auch sofort die Erinnerungen wieder auf. Dann habe ich vor Augen, wie ich vor dem Spiel ins Teamhotel nach Heusenstamm fuhr. Oder die Baustelle am Stadion, wodurch wir uns auf dem Platz an der Wintersporthalle warm gemacht haben und durch einen Käfig ins Stadion eingelaufen sind. Das war fast wie im Zirkus (lacht).

Wann hast Du von deinem Einsatz erfahren und dass du auf Gerd Müller treffen wirst?
Zunächst bin ich donnerstags vor dem Spiel nach Hause gefahren. Weil ich nicht im Kader war, habe ich auch nicht am Abschlusstraining teilgenommen. Dann hat sich im Abschlusstraining aber Friedel Lutz an der Achillessehne verletzt. Darauf rief Trainer Erich Ribbeck bei meinen Eltern an und sagte, dass ich zur Mannschaft in Heusenstamm stoßen soll. Meine Eltern mussten mich erst mal suchen, da ich mit meinen Kumpels auf dem Sportplatz Fußball spielen war. Ich hatte auch noch keinen Führerschein, so musste sich mein Vater den restlichen Tag frei nehmen und mich nach Heusenstamm fahren. Abends kam dann Erich Ribbeck auf mein Zimmer und sagte, dass er mit dem Gedanken spielt, mich morgen gegen Gerd Müller auflaufen zu lassen und fragte gleich, ob ich es mir zutrauen würde.

Was ging Dir in diesem Moment durch den Kopf?
Erst mal gar nichts, denn im Grunde genommen war ich immer gut vorbereitet. Zu dem Zeitpunkt hatte ich auch schon viele Jugend-Länderspiele hinter mir. Nichtsdestotrotz ist der Trainer schon ein gewisses Risiko gegangen, mich gegen den Weltklassespieler Gerd Müller zu stellen. Es hätte ja auch schief gegen können. Aber er hat mir bedingungslos das Vertrauen geschenkt und gesagt: Du hast die ganze Zeit super trainiert, du schaffst das!

Wie waren die ersten Minuten, die ersten Duelle gegen Müller? Merkt man gleich als Spieler, dass man heute mithalten kann?
Im Grunde genommen habe ich erst nach dem Spiel realisiert, was da alles passiert. Man ist extrem auf das Spiel fokussiert. Auf einmal trifft man auf Weltklassespieler wie Beckenbauer, Maier, Müller oder Hoeneß, die ich bisher auch nur aus dem Fernsehen kannte und Autogramme wollte. Am Anfang wusste ich nicht so Recht wie ich gegen Müller spielen sollte. Aber in den ersten Duellen habe ich sofort gemerkt, wie ich mich zu verhalten habe. Deswegen wurde Gerd Müller auch mein Lieblingsgegenspieler (lacht). Er hat immer Kontakt zum Gegenspieler gesucht, wollte klammern und sich um ihn drehen. Aber ich habe ihm keinen Kontakt gegeben und hatte stets den richtigen Abstand. Das regt ihn heute noch auf (lacht).

Ihr habt die Partie am Ende gewonnen und Du hast viel Lob für dein Debüt geerntet, wie geht man als junger Spieler damit um?
Damals war es natürlich die Sensation und der Startschuss für meine Karriere. Aber für mich hatte sich erst mal nichts geändert. Ich bin wieder in meine Heimat gefahren und war abends mit meinen Kumpels unterwegs. Nur nicht so lange, da am nächsten Morgen wieder Training war (lacht). Aber es ist schon ein tolles Gefühl, wenn man in der Bundesliga bestehen kann, gerade gegen so eine Mannschaft. Zu der Zeit war ich auch in dem Glauben, dass ich ein super Spiel abgeliefert hatte. Erst ca. 30 Jahre später, schaute ich mir eine Zusammenfassung der Partie an und war erschrocken, wie viel Glück ich gehabt habe und dass ich gar nicht so gut gespielt hatte (lacht). Unser Torwart Peter Kunter parierte den Elfmeter von Beckenbauer, Müller war eins-/zweimal allein vor unserem Tor. Also es hätte auch anders laufen können.

Aber die Aufmerksamkeit auf Dich war nach dem Spiel groß, auch in den nächsten Spielen.
Klar, die stieg natürlich rasant an. Aber ich habe damals in einer sehr intakten Mannschaft gespielt. Die etablierten Spieler wie Grabowski, Hölzenbein oder Nickel haben mich im Grunde getragen und so ein bisschen die schützende Hand über mich gelegt. So habe ich keine Stufen übersprungen und wurde ein wichtiger Bestandteil der Mannschaft. Für mich hatte sich auch nach dem Spiel nicht viel verändert, nur dass ich nicht mehr bei den Amateuren gespielt habe. Und als junger Spieler bei den Profis musste ich nun die Koffer schleppen (lacht).

Wir bedanken uns ganz herzlich für das Gespräch und sagen herzlichen Glückwunsch zum 40. Jubiläum. Vielen Dank für deine Treue und alles erdenklich Gute, Charly Körbel!

(Quelle: Stadionmagazin Hannover 96, 20.10.2012)